Süddeutsche Zeitung

Silvester:Böller-Verbot in Grafing scheitert krachend

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Der Stadtrat entscheidet sich mit großer Mehrheit gegen ein Feuerwerk-Verbot an Silvester. Ein solches hatte sich Linke-Stadträtin Lena Huppertz gewünscht.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Freunde des knallenden Jahreswechsels in Grafing dürfen sich freuen: In seiner Sitzung am Dienstagabend hat der Stadtrat das von Linke-Stadträtin Lena Huppertz beantragte Böller-Verbot für die Silvesternacht im Grafinger Gemeindegebiet mit großer Mehrheit abgelehnt. Dazwischenkommen könnte allerdings etwas anderes.

"Trotz der steigenden Impfquote steigen die Covid-19-Zahlen und deshalb ist eine weitere Planung des Schutzes vor Ansteckung der Bevölkerung und die Eindämmung von Covid-19 in den nächsten Wochen auch weiterhin essenziell", hatte die 29-Jährige in der Begründung des Antrags geschrieben. An Silvester werde "häufig übermäßig viel Alkohol konsumiert". Das senke die Hemmschwelle beim gegenseitigen Abstand. Der aber sei in Pandemiezeiten essenziell.

Huppertz geht es auch darum, das auf höhere Infektionszahlen stets eine zusätzliche Belastung für Krankenhauspersonal folgte. "Andererseits müssen schwere Verletzungen stationär behandelt werden, das heißt, es werden in Zeiten von Covid-19 dringend benötigte Betten für Unfälle belegt, die durch ein Verbot von pyrotechnischen Gegenständen vermieden hätten werden können."

Hinzu kommt der Aspekt Klimakrise: Jeder abgeschossene Feuerwerkskörper produziere Smog, der auch noch Tage später in der Luft hänge. Huppertz verweist auf eine Rechnung des Hessener Nabu - wonach um Silvester die höchste Feinstaubbelastung des Jahres herrsche. Durch die Feuerwerke würden circa 15 Prozent der jährlichen im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge freigesetzt.

Nicht, dass die Argumente in der Stadtverwaltung nicht nachvollziehbar wären, startete Rathausmitarbeiter Leonhard Kogler in die Erläuterung der Rechtslage. Doch: "Anders als in andern Bundesländern kennt das bayerische Landesstraf- und Verordnungsgesetz keine Generalermächtigung für den Erlass von Rechtsverordnungen", erklärte er. Lediglich wenn es um Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit ginge, könnten Anordnung erlassen werden - etwa bei religiösen Feiern, Volksfesten und Sportveranstaltungen, Verordnungen und Anordnungen. Und dies auch nur im Einzelfall und für bestimmte Bereiche.

Wichtig sei für die Bewertung: "Es handelt sich hier um eine streng sicherheitsrechtliche Herangehensweise, umweltpolitische Wertungen dürfen nicht zum Tragen kommen", sagte Kogler. Hätte es in der Stadt zuletzt verstärkt Unfälle oder Verletzungen durch Feuerwerke gegeben, sehe die Lage anders aus. "Wir haben bei der Feuerwehr und der Polizei nachgefragt. Und das ist nicht der Fall."

Auch im Sprengstoffgesetz findet Kogler nach eigenen Angaben keinen Hebel. "Die Stadt hat nur bei besonders brandempfindlichen Gebäuden die Bestimmungshoheit." Das von Grünen-Stadträtin Ottilie Eberl vorgeschlagene Verbot nur für den Marktplatz sei, da räumlich zu umfassend, ebenfalls nicht möglich.

Für diesen Punkt wurde dann auch die politische Bewertung relevant. "Die Lokale am Marktplatz leiden arg drunter, wenn dort nicht geböllert werden dürfte", merkte Bürgermeister Christian Bauer (CSU) an. "Dann gehen die Leute den ganzen Abend anderswo hin."

Bauer hatte bereits einige Tage zuvor über die Fraktionssprecherrunde die Aktion "Bäume statt Böller" ins Rennen geschickt. Geld, dass sie sonst für Böller ausgegeben hätten, könnten die Grafinger dann ab nächstem Jahr an die Stadt "spenden". Die würde davon Bäume kaufen und sie im Stadtgebiet pflanzen. "Das kann eine Initiative mit Leuchtkraft werden", lobte Christian Einhellig (Freie Wähler) den Vorschlag. "Dass sich jeder selbst an der Nase packt und das Geld anders einsetzt."

Den zweiten Teil von Huppertz' Antrag beschloss der Stadtrat ohne Gegenstimmen. Demnach wird die Stadt zusammen mit Grafinger Vereinen ein Konzept für eine städtische Silvesterfeier erarbeiten, auf der nicht geböllert wird.

Ein Restrisiko gibt es für die Freunde des knallenden Jahreswechsels in Grafing allerdings: Der Freistaat könnte wegen hoher Infektionszahlen einschreiten. Im vergangenen Jahr hatte Bayern den Verkauf von Böllern verboten - wo kein Verkauf, da auch keine Böllerei, ganz ohne städtisches Eingreifen.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2021
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