Süddeutsche Zeitung

Respektvoll genießen:Thielemann, übernehmen Sie!

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Im Farmer's Club von Gut Sonnenhausen tischt der renommierte Biokoch im Juli und August nachhaltige Spezialitäten auf - vielleicht auch länger

Von Michaela Pelz, Glonn

Schlachthofskandale allerorten? Ein Thema aus einer anderen Welt für Georg Schweisfurth und Thomas Thielemann. Geschäftsführer von Gut Sonnenhausen der eine, renommierter Biokoch und langjähriger Küchenchef im Herrmannsdorfer "Wirtshaus zum Schweinsbräu" der andere, eint die beiden Männer das Faible für hochwertige, nachhaltige Produkte und Respekt für die Natur.

Kein Wunder also, dass diese Haltung ihr aktuelles Gemeinschaftsprojekt prägt: "Thielemann kocht" im Farmer's Club von Gut Sonnenhausen. Dieser ist Teil des denkmalgeschützten Bauernhauses aus dem Jahr 1800, das nach einem verheerenden Brand im Jahr 2018 komplett renoviert wurde. Aus dem früheren Stall entstand ein gemütlicher, gleichzeitig moderner Gastraum mit Bar, aus dem man dank Glasfront hinten die Pferde auf der Koppel sieht, während man nach vorn ungehinderte Sicht auf Küchengarten und frühere Schafweide genießt. Besonderes Highlight aber ist der freie Blick auf die unmittelbar an das Lokal angrenzende "Feuerküche" und darauf, was über der offenen Flamme mit Esse, Feuerkorb, Smoker und Bratrohr zubereitet wird. Bisher kamen bis auf Ausnahmen (etwa beim jährlichen "Alpenspektakel") nur Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Tagungen oder geschlossenen Gesellschaften in den Genuss der ungewöhnlichen Location.

Dies soll sich nun ändern. Von diesem Freitag an wird es - zunächst zwei Monate lang - für alle auf der Suche nach einem kulinarischen Highlight Gelegenheit geben, sich Freitag bis Sonntag von Thomas Thielemann verwöhnen zu lassen - unter anderem mit dem einzigartigen Schweinsbraten mit der knusprig-krossen Kruste, für den der Biokoch während seiner Wirkungszeit im Herrmannsdorfer Wirtshaus von 1993 bis 2014 nicht nur bei Stammgästen berühmt war.

Zur Auswahl stehen am Abend je drei Degustationsmenüs mit mehreren Gängen, mittags kann man à la carte essen. "Die Karte wird klein, aber fein sein, drei Vorspeisen, drei Hauptgerichte, ein Dessert, ohne viel Schnickschnack", erklärt der gebürtige Aschaffenburger, dessen familiärer "Fachhintergrund" ihn zwangsläufig Koch werden ließ. Die einen Großeltern hatten ein Ausflugslokal, die anderen eine Bäckerei, der Vater war Metzger. Auch er selbst macht aus seiner Vorliebe für Fleisch kein Hehl. Dennoch ist es ihm wichtig, dass das Angebot immer ein vegetarisches Menü oder Gericht enthält, das automatisch vegan sein wird. Zumal auf Gut Sonnenhausen viele Zutaten direkt vor der Tür wachsen. "Mit Gemüse kann man so viel mehr tun, als es nur durchs Wasser zu ziehen und Butter dranzugeben."

Zusätzlich wird man sich in jedem Fall darauf freuen dürfen, welche überraschenden Kreationen der für die Verwertung möglichst vieler Teile des Tiers sowie die Zubereitung von Innereien bekannte, kulinarische "Revoluzzer" auf den Tisch bringen wird.

Die Neuauflage der Kooperation zwischen Schweisfurth und Thielemann resultiert daraus, dass dieser auch nach der Übernahme eines Hotels am Tegernsee und des darauffolgenden, zweijährigen Intermezzos in Bad Kreuznach den Kontakt zu seinen alten Weggefährten nie abreißen ließ. Sogar kurz vor dem Tod des Seniors am 15. Februar, auf den der Küchenchef stets große Stücke hielt, kam man noch einmal zusammen, um über alte Zeiten zu sprechen und über mögliche neue Projekte nachzudenken.

Daher war es im März, "als fiele eine reife Mango vom Baum", erklärt Georg Schweisfurth. Gemeinsam beschloss man, "die Krise zu nutzen, um etwas Neues zu beginnen". Individualbesucher sollten die Gelegenheit haben, Gut Sonnenhausen kennenzulernen - von seiner kulinarischen Seite und gerne auch, um in einem der Zimmer zu übernachten. Auch die Sorge für die Beschäftigten spielte eine Rolle. Er habe niemanden vom Personal an die Luft setzen müssen, auch bei den Auszubildenden sei die Situation unverändert - im September, wenn zwei fertig werden, fangen zwei neue an. Dennoch waren viele in Kurzarbeit. Sie kann er nun mit diesem dritten Standbein, ergänzend zum wieder anlaufenden Tagungs- und Veranstaltungsgeschäft, vor allem mit dem "Pop-up-Restaurant" wieder in den Betrieb holen. Einen Betrieb, in dem man explizit "den dritten Weg" beschreiten will - dosierten Genuss von Fleisch statt Komplettverzicht oder Massentierhaltung.

Gutes Stichwort - was sagt Schweisfurth, selbst gelernter Metzger zur Causa Tönnies? "Mir tut er als Unternehmer leid. Andererseits hat er sich halt einfach in den letzten 40 Jahren nicht bewegt." Georg Schweisfurth erzählt, wie der Vater seinerzeit mit einem "Das kann nicht gehen, das ist ja nicht wirtschaftlich!" von den Branchenkollegen belächelt worden sei, die er sogar nach Herrmannsdorf eingeladen hatte. Pionier Karl Ludwig Schweisfurth - über den alle, die von seinen Überzeugungen geprägt wurden, sagen, dass er noch allgegenwärtig sei - und seine Nachfahren haben den Gegenbeweis bereits angetreten; den Gerichten von Thielemann ist es anzuschmecken: Da braucht man kein Tierwohl-Label - hier wird es gelebt.

Sollte sich "Thielemann kocht" bewähren, wird die Aktion auch fortgesetzt. "Abgesehen davon", so Alexandra Baeten, Leiterin von Verkauf und Marketing, lachend, "speisen wir auch am Samstag- und Sonntagnachmittag niemanden mit einem Glas Wasser ab: Da gibt es Brotzeit sowie Kaffee und Kuchen."

Weitere Informationen: www.sonnenhausen.de

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Quelle:
SZ vom 03.07.2020
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