Süddeutsche Zeitung

Tabakkonsum:"Ich habe mich dadurch irgendwie erwachsen gefühlt"

Lesezeit: 3 min

Rauchen ist bei Jugendlichen wieder in. Im vergangenen Jahr hat sich der Tabakkonsum in der Altersklasse zwischen 14 und 17 Jahren verdoppelt. Wie sieht es im Landkreis Ebersberg aus?

Von Karlotta Hohmann, Ebersberg

In Deutschland rauchen immer mehr junge Menschen - das ergab eine wissenschaftliche Studie der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten, kurz DEBRA, die im Dezember vergangenen Jahres landesweit für Aufsehen sorgte. So war die Zahl der rauchenden 14 bis 17-Jährigen innerhalb eines Jahres von 8,7 Prozent auf 15,9 Prozent angestiegen. Ein solcher Anstieg von 2021 auf 2022 konnte ebenfalls bei jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren festgestellt werden, bei denen der Raucheranteil von 36,1 Prozent auf 40,8 Prozent anstieg.

Auch in Ebersberg sind rauchende Jugendliche zu finden. An der Bushaltestelle steht eine Gruppe aus vier Mädchen. Sie sind 16 und 17 Jahre alt und wollen anonym bleiben, erzählen aber gerne, warum sie anfingen zu rauchen. "In der achten Klasse haben viele angefangen auf dem Schulweg zu rauchen", erzählt eines der Mädchen. Irgendwann habe sie gefragt, ob sie einmal ziehen dürfe, "einfach, weil es so cool aussah". Zum 14. Geburtstag gab es schließlich von den Freundinnen eine eigene Schachtel geschenkt. "Ich finde es immer noch einfach cool zu rauchen", sagt das Mädchen. Es sei eine Beschäftigung, mit der man sich ganz einfach die Zeit vertreiben könne. "Ich habe mir auch schon überlegt aufzuhören, aber irgendwie habe ich noch keine Lust dazu."

Nicht immer ist Gruppenzwang der Auslöser für den Griff zur Zigarette

"Als die ersten aus der Klasse anfingen zu rauchen, habe ich auch einfach mitgemacht", sagt ein anderes Mädchen aus der Gruppe. Das sei allerdings weniger Gruppenzwang gewesen, sondern vielmehr ein rebellischer Akt, besonders als das Küken, das sie in der Familie nun mal sei. "In dem Alter haben aber auch wirklich alle in unserem Freundeskreis angefangen zu rauchen", sagt sie und grinst in die Gruppe. "Ich nicht", wirft eine ihrer Freundinnen ein, ein großes schlankes Mädchen. "Ich habe tatsächlich erst letztes Jahr damit angefangen, weil ich gelesen habe, dass es gut ist Himbeerblätter zu rauchen, wenn man seine Tage hat." Bewirkt hat es aber nicht wirklich etwas. "Vielleicht habe ich auch einfach damit angefangen, weil ich meinem Image damit eine ganze andere Seite zugefügt habe." Sie sei normalerweise die Mutter in der Freundesgruppe, die Brave, die, die gut in der Schule ist. "Und weil ich mich dem Ganzen so lange enthalten habe, waren alle umso überraschter, als ich anfing zu rauchen." Seitdem fühle sie sich ein bisschen wie ein "Bad-Girl", wenn sie gelegentlich raucht.

Süchtig werden kann man sehr schnell, wie die Mädchen bemerkten

"Ich hab gemerkt, dass ich, wenn ich in der Früh aus dem Haus gehe, eigentlich eine rauchen muss", sagt das blonde Mädchen. "Das hängt in mir noch so tief aus den Anfängen fest, in denen wir immer auf dem Weg von der S-Bahn zur Schule geraucht haben." Die anderen Mädchen nicken zustimmend.

"Ich hab mit 13 angefangen zu rauchen", sagt das vierte Mädchen aus der Gruppe. Ihre Eltern haben schon immer zwischendurch geraucht, besonders wenn Freunde da waren, erzählt sie. Sie fand schon immer, dass rauchen - besonders in Filmen - unfassbar ästhetisch aussehe. "Ich habe mich dadurch irgendwie erwachsen und interessant gefühlt." Und es sei auch einfach schön, in der Gruppe zusammenzustehen und zu rauchen, so wie jetzt. "Es schafft ein Gemeinschaftsgefühl."

Doch nicht nur der Tabakkonsum, auch der Verbrauch von E-Zigaretten ist um zwei Prozent angestiegen, besonders im Hinblick auf Einweg-E-Zigaretten. Auf die Frage, warum er E-Zigaretten raucht, hat Elias, 18 Jahre aus Ebersberg, eine ganz einfache Antwort: "Warum nicht?" Alle in seinem Freundeskreis würden rauchen, auch die meisten aus seiner Familie. "Irgendwann habe ich auch damit angefangen, es war eigentlich nur eine Frage der Zeit." Da Rauchen aber gesundheitsschädlich ist, sei er schnell auf die vermeintlich weniger schädliche Variante des Rauchens ausgewichen - die E-Zigarette.

Die genauen Gründe für den Anstieg des Tabakkonsums sind noch unklar

Doch warum immer mehr Jugendliche rauchen, ist noch unklar. Auch in Rücksprache mit Fachärztin Claudia Michael, die sich in ihrer Praxis in Vaterstetten auf kinderpsychiatrische und -psychologische Diagnostik, Beratung und Therapie spezialisiert hat, wird deutlich, dass es noch keine Studien gibt, die die Ursache für den Anstieg untersucht haben. Michael vermutet einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und der Tatsache, dass Jugendliche E-Zigaretten als weniger problematisch ansehen. Auch die verschiedensten Krisen des vergangenen Jahres, wie der Ukrainekrieg und die Energiekrise, könnten Gründe sein, die Jugendliche und junge Erwachsene veranlassten, mit dem Rauchen anzufangen.

Das bestätigt auch Anna, 18 Jahre alt aus Ebersberg. Sie erklärt, dass sie - natürlich - einerseits abhängig geworden sei, andererseits aber auch einfach Anspannung von ihr abfalle, wenn sie rauche. "Wenn man die Kippe ansteckt, hat man einfach diese zwei Minuten, in denen man nichts anderes machen muss, als ein- und auszuatmen."

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