Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Rassist:"Wie ein verbitterter älterer Herr, der versucht, seinen Frust loszuwerden"

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Aus dem Gericht von Carolin Fries, Ebersberg

Wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung hat das Ebersberger Amtsgericht Gottfried T. am Montagabend zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Außerdem muss der 74-Jährige 600 Euro in Raten von monatlich 20 Euro an den Verein "München ist bunt" zahlen. Richterin Vera Hörauf sah es als erwiesen an, dass der Rentner aus München im November 2015 sowie im März dieses Jahres zwei Schreiben an den damaligen Zornedinger Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende verfasst hat. Während die erste Postkarte ankam, wurde ein weiterer Brief vom März im Briefzentrum sichergestellt.

"Ich war natürlich sehr erschrocken, dass ich so beschimpft werde", sagte Ndjimbi-Tshiende vor Gericht im Zeugenstand aus. Der 67-jährige gebürtige Kongolese hatte im Herbst vergangenen Jahres die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin gelobt und einen rechtspopulistischen Artikel der damaligen Zornedinger CSU-Ortsvorsitzenden kritisiert. Dafür war er zunächst vom CSU-Vize rassistisch beschimpft worden, in den folgenden Monaten bekam er diverse Postkarten und Briefe. Eine Postkarte und einen Brief hat Gottfried T. verfasst.

Der gelernte Gärtnermeister wurde direkt aus der Untersuchungshaft ins Amtsgericht gebracht, weil er den ersten Prozesstermin im Oktober unentschuldigt hatte platzen lassen. Er äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Vielmehr versuchte er, sich selbst als Opfer zu inszenieren. Zwar sei er geistig gesund, körperlich aber stark beeinträchtigt. So leide er unter Apnoe, Hypertonie, Diabetes, Rücken- und Gelenkschmerzen und einem Augenleiden. Er sei stets unterwegs von einem Arzt zum anderen.

In schwarzer Jogginghose, brauner Jacke und mit Sonnenbrille folgte er dem fünfstündigen Prozess überwiegend unbeteiligt. Lediglich einmal beharrte er darauf, dass, seine Handschrift "nicht so krakelig" sei wie jene auf den Beweisstücken. Zwischendurch warf er seiner getrennt lebenden Ehefrau leidende Blicke zu oder verlangte nach Medikamenten wegen seiner Diabetes.

Das zweite Schreiben hatte die Polizei im April auf die Spur des einschlägig bekannten Rentners gebracht, der bereits 2006 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Damals hatte er Hakenkreuze an die Wohnungstüren seiner ausländischen Mitbewohner geschmiert und einen beleidigenden Brief im Aufzug des Münchner Mehrfamilienhauses platziert. Im Frühjahr nun schmierte er seine Beleidigungen auf eine selbst gebastelte Postkarte, für die er unter anderem den Prospekt einer Kurklinik verwendete.

Neben den Beleidigungen konnte die Kripo Erding auf der Karte zwei Telefonnummern im Durchdruck sichern: die Telefonnummern von Gottfried T. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stellten die Beamten schließlich die fehlende Teile des Prospekts und weitere Schriftstücke sicher. Die Ermittlungen ergaben zudem, das Gottfried T. nur wenige Monate zuvor in der Klinik zur Behandlung war. Auf der Karte konnten seine Fingerabdrücke sichergestellt werden. Der ermittelnde Polizeibeamte sagte, Gottfried T. habe damals bei seiner Vernehmung gesagt, er habe mit dem schwarzen Priester nichts zu tun. "Auf mich wirkte er wie ein verbitterter älterer Herr, der versucht, seinen Frust loszuwerden", sagte der Beamte vor Gericht.

Ausgehend vom Schriftbild war für Staatsanwaltschaft und Richterin Hörauf klar, dass auch die erste Karte vom gleichen Verfasser stammen muss. Auf dieser hatte die Polizei keine Spuren finden können, weil sie zunächst wochenlang an der Bürotür des Pfarrers geklebt hatte. Abgleiche mit den weiteren Drohbriefen und -karten blieben ergebnislos. Die Polizei geht von mindesten zwei weiteren Tätern aus, nach denen weiter gesucht wird. Einer soll über Insiderwissen verfügen und wird deshalb im Umfeld der Pfarrei vermutet.

Strafverteidigerin Angelika Haucke-D'Aiello wollte trotz der massiven Beleidigungen, die "das Fass wohl zum Überlaufen gebracht haben", nicht von Volksverhetzung sprechen. Gottfried T. seien die Folgen seines Handelns nicht bewusst gewesen, er habe lediglich Aussagen aus seinem Umfeld wiedergegeben. Sie plädierte auf eine Geldstrafe von maximal 400 Euro.

Staatsanwalt Alexander Strafner konnte das so nicht stehen lassen, schließlich habe Gottfried T. nicht zum ersten Mal in dieser Weise gehandelt. Vor allem aber die erheblichen Konsequenzen der Schreiben, die den Zornedinger Pfarrer zunächst in Angst und Schrecken versetzt und schließlich zum Wechsel seines privaten und beruflichen Umfelds gezwungen hätten, seien maßgeblich für das Strafmaß. Olivier Ndjimbi-Tshiende tauchte zunächst unter. Seit Oktober arbeitet er an der katholischen Universität in Eichstätt im Forschungszentrum Migration und Flucht.

Strafner forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung. Richterin Vera Hörauf folgte in den meisten Punkten der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. "Es geht mir gut. Ich bin froh, dass es zu Ende gegangen ist", sagte Ndjimbi-Tshiende. Die Erinnerung indes bliebe. "Das geht nicht von heute auf morgen weg."

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SZ vom 08.11.2016
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