Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingsunterkunft:Quarantäne auf die harte Art

Lesezeit: 3 min

Geflüchtete werden bei einer Corona-Infektion im ersten Stock der Containerunterkunft in Pöring isoliert. Für einen 32-Jährigen aus Poing eine verstörende Erfahrung.

Von Barbara Mooser, Poing/Zorneding

Es ist ein kurzer Handyfilm, nur fünfeinhalb Minuten lang. Er zeigt: Müllberge in den Zimmerecken, Wände, an denen sich braunes Wasser staut, dreckverkrustete Herdplatten. Nicht das Ambiente, in dem man tagelang seine Corona-Quarantäne verbringen will. Nicht ein Ambiente, in dem man überhaupt Zeit verbringen will. Und schon gar nicht ohne das Nötigste zum Leben.

Wenn Geflüchtete im Landkreis sich mit dem Coronavirus infizieren, ist der erste Stock der Containerunterkunft in Pöring aber der Ort, wohin sie gebracht werden. Damit sie sich gegebenenfalls auskurieren, vor allem aber, damit sie andere nicht anstecken.

Am Donnerstag nun ist dort auch ein 32-Jähriger angekommen, der sonst in der Unterkunft an der Gruber Straße in Poing lebt. Der Asylantrag des Mannes ist inzwischen anerkannt, darüber hat sich Elke Knitter sehr gefreut. Die Poinger Buchhändlerin kümmert sich seit langem ehrenamtlich um den 32-Jährigen, der auch einen Job gefunden hat und auf einem guten Weg ist. Auch deshalb sollen der Name und die Herkunft lieber ungenannt bleiben.

Bei Elke Knitters Schützling jedenfalls wird Corona festgestellt. Gemeinsam mit einem Mitbewohner wird er am Donnerstagmorgen in Poing abgeholt und nach Pöring gebracht. Im Laufe das Tages trudeln von dort Whatsapps auf Knitters Handy ein; was sie erfährt, fasst die Poingerin kurz zusammen: "Das ist nicht menschenwürdig, was da passiert."

Kein Essen, kein Wasser - ein Missverständnis?

Die hygienischen Zustände sind das eine. Das andere ist, dass die Poinger Geflüchteten vergebens darauf warten, dass sich jemand kümmert, dass jemand ihnen wenigstens Essen oder Wasser gibt. Elke Knitter nimmt die Dinge am Abend irgendwann selbst in die Hand, bestellt Essen beim Chinesen, kauft Kekse, Trinkwasser und Klopapier - nicht einmal das ist vorhanden - und bringt alles in Pöring vorbei.

Bei der zuständigen Stelle im Landratsamt landet sie erst einmal auf der Mailbox. Erst am Freitagvormittag wird sie zurückgerufen. Eine Mitarbeiterin habe erklärt, so erzählt Knitter später, dass es offenbar ein Missverständnis gegeben habe. Denn wie auch andere Landkreisbürger, die in Quarantäne müssen, müssten sich die Geflüchteten selbst mit den nötigen Lebensmitteln versorgen. So teilt es das Landratsamt auch der SZ auf Anfrage mit: "Meist nehmen die Betroffenen bereits Lebensmittel nach Pöring mit, beziehungsweise lassen sich durch Freunde oder Dritte dorthin bringen, was sie benötigen."

Nur: Das haben die beide Geflüchteten aus Poing so nicht verstanden. Die Unterlagen, die ihnen ausgehändigt wurden, seien in Deutsch verfasst gewesen, ohne Übersetzung, sagt Elke Knitter, auch im Gespräch sei ihnen nicht verständlich erklärt worden, was sie nun zu tun hätten. Und wenn, so die Poingerin, hätte es ihnen auch nichts genutzt: "Auf die Schnelle jemand anderen losschicken, um Lebensmittel für eine Woche zu kaufen, inklusive Trinkwasser - wie soll das gehen?" Selbst wenn es zu organisieren gewesen wäre, ihr Schützling hätte gar nicht genügend Bargeld da gehabt, um das zu bezahlen.

Die Geflüchteten könnten auch Essen von einem Caterer beziehen

Im Landratsamt verweist man darauf, dass den Bewohnern des Quarantänestockwerks auch die Möglichkeit offen stehe, Essen von einem Caterer zu beziehen, gegen Bezahlung. "Die meisten Bewohner lehnen das ab", heißt es in der Stellungnahme. Zum aktuellen Fall schreibt die Behörde: "Den Mitarbeitern des Landratsamts gegenüber wurde keine extreme Notlage geschildert. Die üblichen Lösungsmöglichkeiten wurden in diesem Fall ausgeschlagen." Auch das ist der Poinger Buchhändlerin von ihrem Schützling anders berichtet worden.

Wasser gibt es natürlich in der Unterkunft, sie ist an die Wasserversorgung angeschlossen. "Aber ehrlich", sagt Elke Knitter, "aus diesen Wasserhähnen würde ich auch nichts trinken wollen." Auch zur Hygiene äußert sich das Landratsamt: In der Unterkunft seien Security-Mitarbeiter vor Ort, die auch Hygienepakete ausgeben könnten; Reinigungsmittel seien ebenfalls vorhanden. In regelmäßigen Abständen werde das erste Obergeschoss von einer Fachfirma gereinigt und desinfiziert. Die Handy-Filme, die Elke Knitter der SZ weitergeleitet hat, würden das nicht vermuten lassen.

Inzwischen hat sich die Aufregung vom Donnerstag bei der Poingerin und ihrem Schützling etwas gelegt. Die weitere Versorgung des 32-Jährigen ist - auch mit Unterstützung aus dem Landratsamt - nun geregelt. Es sei auch versichert worden, dass hygienischere Zustände hergestellt würden in der Unterkunft, erzählt sie. Doch an Elke Knitters Urteil insgesamt hat sich wenig geändert: "Total ätzend."

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