Süddeutsche Zeitung

Mitten in Ottersberg:Josephi, hilf!

In Zeiten des Klimawandels haben Bauernregeln zur Wettervorhersage ausgedient. Doch es gibt auch Orakel, die niemals daneben liegen.

Glosse von Alexandra Leuthner

Über die Aussagekraft von Bauernregeln lässt sich streiten. Zumal in diesen Zeiten, in denen der Klimawandel ohnehin sämtliche in Jahrhunderten gefestigten Überzeugungen über den Haufen wirft. So was wie "Ist der Januar hell und weiß, wird der Sommer gerne heiß" - ein Hohn. Heiß wird es bei uns inzwischen immer. Und längst nicht erst im Sommer, sondern oft schon im April - von dem man aber tatsächlich auch immer schon wusste, dass er "gerne tut, was er will".

Die Hitze im Sommer hat nach neuen Erkenntnissen nur wenig damit zu tun, dass es im Januar durchweg so gruslig Grau in Grau ist, dass die Herbstdepression vor lauter Finsternis gar nicht mehr zur Tür hinausfindet. Von ganzem Herzen mag man sich also jenen Sinnspruch zu eigen machen: "Soll man den Januar loben, soll er stürmen und toben", denn "Januar ganz ohne Schnee tut Bäumen, Bergen und Tälern weh". Und der Seele eben auch.

Nun sind wir aber zum Glück mittlerweile im März angekommen, der "wie ein Wolf kommen und wie ein Lamm gehen soll". Von Älteren hört man so hoffnungsfrohe Aussagen wie "jetzt g'spürt ma den Tag", und der tägliche Blick aus dem Fenster bestätigt: "Schnee, der erst im Märzen weht, abends kommt und gleich vergeht." Eine Aussage, die rein inhaltlich betrachtet, genauso wenig verwegen ist wie "Märzenschnee und Jungfernpracht halten oft nur eine Nacht", oder ein Gsatzl über den Josephitag, den 19. März: "Wenn einmal Josephi ist, endet der Winter ganz gewiss".

Kunststück, gegen Ende März ist die kalte Jahreszeit halt nun mal vorbei, mit oder ohne Klimawandel. Oder etwa nicht? Wer sich jedenfalls auf solch profunde Vorhersagen verlassen möchte, kann ebenso gut die "Historische Wetterstation" besuchen, die im Plieninger Ortsteil Ottersberg steht, in exponierter Position an der einzig nennenswerten Straße, die durch das Örtchen führt. Sie besteht aus einer Holztafel mit Aufschrift sowie einem Stein, der an einer Kette darunter hängt, und die vielversprechende Installation verschafft dem staunend Verweilenden ganz außergewöhnliche Einsichten nicht nur aber auch ins Witterungsgeschehen: "Stein trocken - Sonne, Stein nass - Regen, Stein weiß - Schnee, Stein bewegt - Sturm, Stein doppelt - Alkohol" steht da in antik anmutenden Lettern geschrieben.

Ein kürzlich erfolgter Besuch des holzgewordenen Wetterorakels macht klar: Wer dieses Ding aufgestellt hat, hatte Recht. Sonne - Stein trocken, soviel stimmte allemal. Von dem eiskalten Wind, der an jenem Tag von Poing her durch die Ottersberger Gehöfte pfiff, sagte die Tafel allerdings nichts. Auch nichts dazu, wann dieser saukalte Wind endlich endlich aufhören würde - ein doppelter Winterpunsch oder auch eine Maibowle jedenfalls hätten helfen können.

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Am Sonntag ist Josephi, der Frühling also nicht mehr weit - und die Wetter-App verspricht ein laues Lüftchen.

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