Süddeutsche Zeitung

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 148:Heikle Situation im Schockraum

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Pola Gülberg wird zu einem Patienten in der Notaufnahme hinzugerufen - eigentlich hätte der in einer Spezialklinik versorgt werden müssen. Aber nirgends ist ein Platz frei gewesen.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Als wir ankamen, hatte der Mann bereits eine Beatmungsmaske auf. Die sorgte für eine Überdrucksituation, sodass die angeschlossene Beatmungsmaschine die Luft sozusagen in den Körper hineinpresste. Für den Moment sorgte das für eine stabile Atmung.

Aber eine Dauerlösung war das natürlich nicht. Ein Ultraschall zeigte ein Hämatom, eine seltene Nebenwirkung der Schilddrüsenpunktion, die bei dem Mann zwei Tage zuvor ausgeführt worden war. Das Hämatom bog die Luftröhre 45 bis 50 Grad zur Seite, das sorgte für einen verengten Atemweg. Letztlich führte nichts an einer Intubation vorbei. Durch den Knick in der Luftröhre war aber klar: Das wird nicht einfach. Und das wiederum hatte ein neues Problem zur Folge: Sollte etwas schiefgehen, dann gibt es an der Ebersberger Kreisklinik keinen HNO-Experten.

Eigentlich hätte der Mann in einer Spezialklinik versorgt werden müssen, aber dort waren zu dem Zeitpunkt keine Kapazitäten frei. Deshalb kam er zu uns. Das bedeutet: Auch wir an einer Kreisklinik müssen in der Lage sein, mit einer solch seltenen und schwierigen Situation zurechtzukommen. Und das taten wir auch.

Zunächst haben die Ärzte einen weiteren Anästhesisten um Unterstützung gebeten. Und dann noch den Oberarzt der Anästhesie im Hintergrunddienst benachrichtigt - er war zu Hause und hatte im Grunde frei, allerdings musste er zu jedem Zeitpunkt für die Kollegen in der Klinik telefonisch erreichbar und relativ schnell vor Ort sein können, wenn es eine Situation erforderte. Ein Wanderausflug in die Berge ist also nicht drin, wenn ein Arzt im Hintergrunddienst ist.

Die Anästhesistin, die die Intubation ausführen sollte, hatte sich alles ganz genau angesehen und sich mit einem Kollegen, der die Assistenz übernommen hatte, abgesprochen - im ganzen Schockraum herrschte eine unglaubliche Ruhe. Nur das Piepen des Monitors, an dem ich stand und die Vitalwerte des Mannes überwacht habe, durchbrach die Stille, "die Sättigung ist noch stabil" habe ich ab und an gesagt.

Die Absprachen, wer was macht, die verschiedenen Stufen der Absicherung durch das vorbereitete medizinische Material, dadurch sind wir alle trotz einer stressigen Situation wieder zur Ruhe gekommen. Und was soll ich sagen: Die Intubation hat geklappt. Das einzige Nachsehen hatte der Oberarzt, der sich extra von zu Hause auf den Weg in die Klinik gemacht hatte und wenige Minuten darauf den Schockraum betrat. Er war ganz umsonst gekommen. Doch lieber so als andersherum - da waren wir uns alle einig.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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