Süddeutsche Zeitung

Neues Projekt:"Demokratie ist nicht nur in Berlin, sondern auch in deiner Gaststätte"

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Die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Ebersberg startet die Kampagne "Hier lebt Demokratie". Ziel ist, zivilgesellschaftliches und politisches Engagement zu fördern.

Von Merle Hubert, Ebersberg

Jeder hat bereits Situationen wie diese erlebt. Ein gemütliches Beisammensitzen im Gasthaus. Alle sind gut gelaunt, ein Freund bestellt bereits die nächste Runde. Einen Augenblick später kommt die Kellnerin, um die Getränke zu bringen. Beim Vorbeigehen am Nachbartisch macht einer der Männer einen sexistischen und übergriffigen Kommentar. Unangenehmes Schweigen. Die Kellnerin fühlt sich offensichtlich angegriffen, versucht den Vorfall aber mit einem Lächeln zu überspielen. Allen ist bewusst, dass eine Grenze überschritten wurde, doch niemand traut sich einzugreifen.

Doch gerade in diesen Situationen ist Zivilcourage besonders wichtig. Darauf macht die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Ebersberg mit ihrer Kampagne aufmerksam. Mit bedruckten Bierdeckeln mit der Aufschrift "Hier lebt Demokratie" wollen sie zeigen: "Demokratie ist nicht nur in Berlin, sondern auch in deiner Gaststätte", sagt Clemens Scheerer, Sprecher der Partnerschaft im Landkreis Ebersberg.

"Wo wollen wir hin im Landkreis mit unserer Demokratie?"

Anfang 2019 wurde die Partnerschaft für Demokratie im Rahmen des Bundesprojektes "Demokratie leben!" als Projektstelle des Kreisjugendrings Ebersberg gegründet. "Wir wollen Demokratie im Landkreis lebendig machen!", so Scheerer. Ziel ist, zivilgesellschaftliches und politisches Engagement im Landkreis Ebersberg zu fördern. Die Bierdeckel sind nur ein Teil der großen Kampagne "Hier lebt Demokratie!", die in diesem Jahr startet.

In einem Grundsatzpapier formuliert die Partnerschaft Positionen und Haltungen zur Bürgerbeteiligung sowie Ziele und Werte. "Wir haben uns die Frage gestellt: "Wo wollen wir hin im Landkreis mit unserer Demokratie?", so Scheerer. Der Leitfaden wurde in Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialen Institutionen in Ebersberg erarbeitet, darunter die Caritas, der Frauennotruf und der Einrichtungsverbund Steinhöring. Die Partnerschaft hofft, neue Impulse für eine politische Beteiligungskultur im Landkreis zu geben.

"Wenn wir Demokratie im Landkreis stärken wollen, müssen wir vor allem auch auf schwächere oder benachteiligte Menschen schauen", sagt Martha Urban, Sprecherin der Partnerschaft. "Diesen Personen wird der Zugang zur politischen Teilhabe oft verwehrt oder erschwert, etwa Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund sowie Senioren und Seniorinnen."

Zwei Drittel der Jugendlichen in Ebersberg wollen sich politisch engagieren

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Kinder- und Jugendarbeit. Dabei stellte sich die Partnerschaft im vergangenen Jahr die Frage: Wie beteiligt fühlen sich die jungen Menschen im Landkreis Ebersberg? Eine Umfrage mit 650 Jugendlichen im Alter von zwölf bis 21 Jahren zeigte, dass zwei Drittel aller Befragten sich vorstellen können, in ihrer Freizeit für die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen in ihrer Gemeinde einzutreten.

"Das Potential ist da. Wir möchten Raum schaffen", so Julia Bissinger von der Partnerschaft für Demokratie. Im April 2021 wurde das Jugendkomitee "Jugend Bewegt" gegründet. Das Gremium wird von Jugendlichen geleitet. Alle, die wollen, können sich beteiligen und bei der Umsetzung von Projekten mithelfen. Hierfür stehen eigene Fördermittel zur Verfügung. Beispielsweise half die Partnerschaft bei der Gründung des Arbeitskreises "Diversity" am Vaterstettener Gymnasium. Ziel des Projekts ist es, über Themen wie Homosexualität, Transsexualität sowie alternative Geschlechtszugehörigkeiten aufzuklären. Mit ihrer Idee wollen sie andere Schulen inspirieren. Ein weiteres Projekt, das mit Hilfe der Partnerschaft realisiert wurde, war eine Abendveranstaltung zum Gedächtnis an den Holocaust im Gymnasium in Markt Schwaben.

"Die Schulen spielen eine wichtige Rollen in unserer Demokratie", so Scheerer. Jedoch könne man Demokratie nicht einfach im Lehrplan beschließen. "Demokratie muss man lernen. Das ist ein ständiger Prozess, der auch im Erwachsenenalter nie aufhört", so Urban. Es sei wichtig zu lernen, in den Austausch zu gehen und unterschiedliche Meinungen, aber auch das Werben für neue Ideen und eine Ausweitung demokratischer Mitbestimmung, zuzulassen.

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