Süddeutsche Zeitung

Ottersberger Kulturstadl:Spielfreude und Präzision

Lesezeit: 2 min

Gudrun Walther und Jürgen Treyz im Kulturstadl

Von Michaela Pelz, Pliening

Es heißt, gut Geige spielen zu können, mache glücklich. Ein Blick auf das ansteckende Lächeln und die funkelnden Augen von Gudrun Walther lässt nach den ersten mitreißenden Sechs-Achtel-Takten von "The Diplodocus" vermuten, dass eine virtuose Beherrschung des Instruments dieses Gefühl tatsächlich potenziert - und direkt auf die Anwesenden im Ottersberger Kulturstadl überträgt. Trotz erschwerter Bedingungen: Denn zwar stehen in dem Duo Gudrun Walther und Jürgen Treyz die Gründer der angekündigten Band Cara auf der Bühne, müssen aber mitteilen, dass die anderen Mitglieder aus Irland und Schottland aufgrund der aktuellen Lage nicht anreisen konnten.

Veranstalter Rudi Zapf wiederum fragte sich lange, wie es von Seiten der Besucher aussehen würde, dabei feiert der Kulturstadel heuer sogar 25-jähriges Jubiläum: "Drei Monate lang hat keiner eine Karte bestellt, obwohl es unverbindlich gewesen wäre." Diese Sorge stellt sich als komplett überflüssig heraus: Die Bänke im idyllischen Garten sind bis auf den letzten der aufgrund der Abstandsregeln auf 100 limitierten Plätze besetzt. Viele eingefleischte Zapf-Fans sind da, wie das Ehepaar Wachutka, das zudem normalerweise einmal pro Jahr zu einem Festival nach Donegal (Irland) reist. Was die Truderinger an diesem, nicht nur witterungstechnisch absolut perfekten Samstagabend geboten bekommen, dürfte ein mehr als würdiger Ersatz sein: Vom ersten Set an überwältigende Folkmusik vom Feinsten, gepaart mit alten deutschen Balladen und Tänzen, meisterhaft dargeboten von Gudrun Walther (Geige, Gesang, diatonisches Akkordeon) und Jürgen Treyz (Gitarre, Gesang). Neben traditionellen Jigs und Reels finden sich im Programm auch von der Geigerin selbst geschriebene Stücke wie "The Moving Pint", dessen atemberaubende Geschwindigkeit zahlreiche Oberkörper zum Wippen bringt und mit den Doubles so unmittelbar in die Beine geht, dass man am liebsten direkt lostanzen möchte. Die Darbietung wird dann auch mit enthusiastischem Johlen und Pfeifen honoriert. Diese Resonanz freut Treyz ebenso wie die in den Gesichtern erkennbaren positiven Reaktionen. Er lobt diesen Vorteil von Auftritten in eher familiärer Atmosphäre. Denn der studierte Jazzgitarrist hat den Vergleich: Als Headliner des Milwaukee Irish Fest stand die Band Cara auch schon vor 130 000 Fans. "In Deutschland ist Folk immer noch kein Mainstream."

Wie breit das Spektrum ihres "Nischenthemas" jedoch ist, zeigen die beiden Ausnahmemusiker auch durch ihre Beschäftigung mit den Tänzen aus dem 17. und 18. Jahrhundert der auf einem Dachboden im Münsterland aufgetauchten Dahlhoff-Notensammlung. "Sie sind ähnlich alt wie die Geige, die ich vom Urgroßvater geerbt habe," erklärt die gebürtige Pfälzerin Walther, die die kurzweiligen Zusammenfassungen der Texte in ihrer charmanten Moderation immer wieder mit kleinen Anekdoten anreichert. So habe sie "I was born for sport" wahrscheinlich "im Schlaf unter einem Tisch" gelernt - bei überlangen Musiksessions des älteren Bruders, woran die damals Elfjährige nur unter der Auflage teilnehmen durfte, beim Müdewerden nicht zu jammern.

Wer ihr das Singen - einmal sogar auf Gälisch - beigebracht hat, erwähnt die Frau mit den wilden, roten Locken nicht. Es muss ein wirklich guter Lehrer gewesen sein bei dieser glasklaren Stimme, mit der sie - mal bewegend und zart, mal kraftvoll - die Töne moduliert, während sie auf dem Akkordeon oder zuweilen sogar der Geige spielt. Perfekte Ergänzung erfährt sie dabei durch Ehemann Jürgen, der seine Fingerfertigkeit an der Gitarre aber auch immer wieder solistisch unter Beweis stellt. Der perfekte Mix aus zu Herzen gehenden Balladen, wilden Rhythmen, Traditionals und von unterschiedlichsten Einflüssen inspirierten Neuschöpfungen jedenfalls begeistert die Zuhörer.

Vor den beiden Zugaben macht Gudrun Walther mit ihrem Dank an das Publikum schließlich den wesentlichen Grund für das beseelte Spiel des Duos deutlich: "Dieser Auftritt war Balsam für unsere Künstlerseele. Darum: Passt auf euch auf, seid vorsichtig, aber geht weiterhin zu Kulturveranstaltungen, sonst haben wir bald keine mehr."

Das weitere Programm im Kulturstadl: Freitag, 31. Juli, brasilianisch-bayerischer Sound von Bavaschôro, Samstag, 1. August, Musiker Edwin Kimmler. Karten per E-Mail an info@zapf-musik.de, unter (08121) 795 60 oder an der Abendkasse.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2020
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