Süddeutsche Zeitung

Niveauvolles Kirchenkonzert:Glänzende Düsternis

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Zornedinger "Jubilate-Chor" führt in Sankt Martin Mozarts Requiem und Pergolesis Stabat Mater auf

Von Manuel Kronenberg, Zorneding

Nichts ist gewisser als der Tod. Nun kann man sich darüber belügen, den Tod aus seinen Gedanken verdrängen, oder man glaubt an ein ewiges Leben, wie es die Bibel den Gerechten verspricht. Mit Verdrängung indes kommt nicht sehr weit, wer sich am Sonntagabend in die katholische Kirche Sankt Martin in Zorneding begeben hat - so präsent ist hier das Thema Sterben. Doch so mancher Besucher sieht sich vielleicht im Glauben an das christliche Versprechen bestärkt, denn das Programm, das der Jubilate-Chor hier gemeinsam mit dem Barockensemble Vaterstetten und vier Solisten aufführt, ist eng verwoben mit der Liturgie der christlichen Kirche. Im Requiem in d-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart widmet sich der Chor einer Komposition zum Totengedenken, ergänzt um das Stabat Mater des italienischen Komponisten Giovanni Battista Pergolesi, die Vertonung eines mittelalterlichen Gedichtes, das das Sterben Jesu Christi und das Leiden seiner Mutter beschreibt.

Chorleiter Matthias Gerstner hat in Mozarts Requiem und Pergolesis Stabat Mater zwei Werke ausgesucht, die bestens zueinander passen. Neben ihrem Bezug zur Kirche und den Themen Sterben, Tod und Trauer haben die beiden Werke nämlich noch weitere Gemeinsamkeiten: Bei beiden handelt es sich um Auftragswerke, und beide waren die letzten großen Kompositionen ihrer Schöpfer. Pergolesi stellte sein Stabat Mater kurz vor seinem frühen Tod mit 26 Jahren fertig, Mozart konnte - wer wüsste das nicht? - sein Requiem nicht einmal mehr selbst abschließen, weil er, ebenfalls sehr jung, einer Krankheit erlag. So wurde die Komposition Mozarts eigenes Requiem. Es sind dies zwei große Werke, die anspruchsvoll und nicht nur thematisch, sondern auch klanglich düster sind. Doch Chor, Solisten und Orchester unter der Leitung von Gerstner wissen sie gekonnt umzusetzen.

Zunächst führt das Ensemble das Stabat Mater in der Wiener Version von Otto Nicolai aus dem Jahr 1843 auf. Diese abgewandelte Version zeichnet sich dadurch aus, dass sie den zwei hohen Solostimmen Sopran und Alt noch eine Tenor- und Bassstimme sowie einen vierstimmigen Chor hinzufügt und eine üppige Dynamik vorsieht. Gerade letztere setzt der Chor in Zorneding fabelhaft um. Die zahlreichen Crescendi und die vielen abrupten Lautstärkewechsel verleihen der Aufführung eine Kraft, die in der Kirche besonders gut wirken kann. Dieses Stabat Mater ist vor allem ein Werk für die vier Solisten: Sopranistin Monika Lichtenegger, Altistin Rita Kapfhammer, Tenor David Ameln und Bassist Thomas Haiber können durchgängig überzeugen, sei es im Dialog miteinander oder bei den Soli, etwa wenn Lichtenegger die besonders hohen Töne im sechsten Satz ("Vidit suum dulcem") problemlos meistert. Aber auch der Chor kann glänzen, und das Orchester liefert verlässlich eindrucksvolle Über- und Einleitungen ab. Nach zwölf Sätzen endet das Stabat Mater mit einem voluminösen Amen und reichlich verdientem Applaus.

Für Mozarts Requiem verlassen die hohen Holzbläser die Bühne und machen Platz für die tieferen Register. Zusammen mit den Streichern, dem Generalbass und den markanten Pauken wird so eine dunkle Stimmung erzeugt. Zeichnete sich das Stabat Mater noch durch eine lebendige Dynamik aus, übertrifft sich das Ensemble in dieser Hinsicht nun selbst. Bereits das Introitus kommt mit einem unglaublichen Druck daher und selbst bei den leiseren Passagen bewegen sich die Töne ungezähmt nach vorne. Es ist eine vor Kraft strotzende Komposition mit hohen Anforderungen, nicht nur an den Chor. Das Ensemble beweist in der Zornedinger Kirche, dass es diesem Niveau, den schnellen Läufen und Arpeggien, den vielen Fugen, gewachsen ist und macht all die dem Requiem innewohnenden Emotionen greifbar, die Düsternis der Trauer, den Schrei nach Hoffnung, die Sehnsucht nach Frieden und ewigem Leben.

Als das Konzert endet, belohnt das Publikum das Ensemble mit minutenlangem Applaus. Zu recht, denn es war eine gelungene Aufführung. Umso mehr ein Grund, sich nicht erdrückt von einer düsteren Vorstellung des Todes auf den Nachhauseweg zu machen, sondern die Zornedinger Kirche mit der hoffnungsvollen Idee zu verlassen, die einst auch Mozart selbst gehabt haben soll: dass der Tod kein Schreckensbild, sondern der beste Freund des Menschen ist.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2018
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