Süddeutsche Zeitung

Mitten in Kirchseeon:Reden ist Silber

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Kirchseeon macht Schluss mit dem Jugendwahn: Ein besonderer Anstrich soll das neue Kinderhaus von Beginn an alt aussehen lassen.

Kolumne Von Franziska Langhammer

Während Hollywood und der Rest der Welt dem Jugendwahn verfallen ist, kann es in Kirchseeon mit dem Altern nicht schnell genug gehen. Nein, man nimmt sogar die Alterung vorweg! Das Wundermittel dazu heißt Silverwood, kommt aus Österreich und ist eine Holzschutzfarbe, die ganze Häuserfronten schon in einträchtiges Grau gefärbt hat. Nachdem der Gemeinderat kürzlich in rekordverdächtigem Tempo und ohne große Diskussion der Haushalt des Marktes 2018 durchgewunken wurde, stellte CSU-Bürgermeister Udo Ockel sein Gremium vor eine schwierige Entscheidung: In welcher Farbe soll die Fassade des Hauses für Kinder gestrichen werden? Für die Holzlatten aus Lärche, welche die Front und manche Teile des Innenhofs schmücken sollen, gab es zwei Zukunftsszenarien.

Sollte das Holz in seiner natürlichen Farbe belassen werden, würde es witterungsbedingt und der Tatsache geschuldet, dass das Gebäude unweit der schmutzenden B 304 errichtet wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich schnell gefleckt und abgeranzt aussehen. Silverwood hingegen, die Glanzpolitur aus österreichischer Mache, würde den Alterungsprozess vorwegnehmen und so eine gleichmäßige Holzfärbung in den kommenden Jahren garantieren. Was nun also, Natur oder Silverwood? Immerhin würde die zweite Variante den ohnehin schon gut ausgelasteten Kirchseeoner Haushalt nochmals 60 000 Euro kosten.

Die Grünen natürlich plädierten für die Natur; schön sei das doch, auch wenn das Holz mit der Zeit Unregelmäßigkeiten im Erscheinungsbild aufzeige. Auf Seiten der Freien Wähler war man sich allerdings genauso einig: Ein gleichmäßiges Altern würde optisch schon besser gefallen. Ein SPD-ler wagte kurz anzumerken, man habe doch soeben mit dem Haushaltsplan beschlossen, den Ball in Sachen Ausgaben erst einmal flach zu halten; eine Fassadengestaltung in Natur sei doch ein guter Anfang dafür.

Ihre Begeisterung für Silverwood erlaubte es jedoch der CSU einschließlich ihrem Bürgermeister, hier nochmal ein Auge zuzudrücken. Letztlich setzte sich der graue Anstrich knapp durch, mit 11 zu sieben Stimmen.

Ob Silverwood in 20 Jahren jedoch immer noch für eine einhellige Färbung an der Front des Kinderhauses sorgt oder doch eher ein Scheckiwood daraus macht, muss noch abgewartet werden. Erfahrungswerte gibt es nämlich noch nicht; die Wunderlasur ist erst wenige Jahre alt.

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Quelle:
SZ vom 27.04.2018
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