Süddeutsche Zeitung

Mitten in Grafing:Besuch mit Vorurteilen

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Of heißt es, auf dem Land sei nichts geboten. Doch weit gefehlt! Wer möchte, kann auch im Landkreis Ebersberg seinen Terminkalender füllen, bis keine Spalte mehr frei ist.

Kolumne von Anja Blum

Wer "auf dem Land" wohnt, etwa in Grafing, und Besuch "aus der Stadt" bekommt, sieht sich des öfteren mit allerhand Vorurteilen konfrontiert. Positiven wie negativen. Gerne wird zum Beispiel von der schönen Landschaft geschwärmt, dem phänomenalen Bergblick, den tollen Ausflugszielen in nächster Nähe - alles völlig richtig. Stolz mag da so mancher Ebersberger denken: "Wir wohnen eben dort, wo andere Urlaub machen". Dass es hierzulande bei grauem Miesewetter auch nicht viel besser ist als anderswo - geschenkt!

Auf der anderen Seite steht die etwas überhebliche Annahme der Städter, dass es dem Land doch erheblich mangele an Angeboten fürs tägliche und nicht ganz so alltägliche Leben. An Shoppinggelegenheiten zum Beispiel, also Läden, die etwas anderes verkaufen als Lebensmittel. Deshalb wird erst einmal die Nase gerümpft, als ein Besuch des örtlichen Einkaufszentrums unvermeidlich ist, weil die Kinder nun mal dringend Matschhosen und neue Turnschuhe brauchen. Zwei Stunden später aber schleppt der Besuch mehr Tüten nach Hause als man selbst. Doch nicht so schlecht, die Geschäfte hier, oder?

Ein anderes weit verbreitetes Vorurteil besagt, dass auf dem Land die Bürgersteige allabendlich früh und höchst zuverlässig hoch geklappt würden. Dass man in und um Ebersberg weder ausgelassen feiern, noch spannende Veranstaltungen erleben könne. Doch weit gefehlt! Wer möchte, kann seinen Terminkalender füllen, bis keine Spalte mehr frei ist, so viel hat der Landkreis an Kultur und Locations zu bieten. Ein rauschendes Geburtstagsfest hier, bestes Kabarett dort, hochkarätige Ausstellungen, ebensolche Klassikreihen - und nun obendrein das Jazzfestival, das an diesem Wochenende in Grafing eröffnet wurde, mit sage und schreibe sechs Veranstaltungen an zwei Tagen.

Los ging's mit einem Frühschoppen mit dem Youngsters Music Club, da durfte der Ebersberger Nachwuchs zeigen, was er drauf hat. Der Jazzgitarrist Andreas Dombert, artist in residence, hat einen Workshop sowie eine phänomenale Performance geboten, das Eröffnungskonzert mit Andrea Motis und Scott Hamilton war ohnehin bereits ausverkauft, danach gab es eine After Hour mit dem Jazz Train und den Enji Sisters aus der Mongolei und am nächsten Morgen einen amerikanischen Swing-Brunch. Und an diesem Montagabend geht es gleich weiter, mit einer Lesung zu Chet Baker. Von wegen nix los auf'm Land!

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019
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