Süddeutsche Zeitung

Mitten in Ebersberg:Döner für alle

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Nicht jeder Elternteil hat dieselben Prioritäten. Das schadet den Kindern aber nur in seltenen Fällen.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Neulich beschwerte sich eine Freundin über ihren Mann. Die Zähne der Kinder würden nicht richtig geputzt, wenn sie nicht da ist. Stopp, nein: Sie ist sich gar nicht sicher, ob die Zähne überhaupt geputzt werden in ihrer Abwesenheit. Das ist der Punkt einer Unterhaltung, bei dem man entweder ganz viel zu erzählen hätte - oder lieber ganz still wird.

Manchmal, das kann man festhalten, haben beide Elternteile verschiedene Prioritäten, was die Erziehung der Kinder betrifft. Der eine Elternteil findet es wichtig, dass die Kinder pünktlich in Schule und Kindergarten abgeliefert werden, dass mittags pünktlich das Essen auf dem Tisch steht, dass die Klamotten morgens vielleicht noch nicht ganz so schlimm aussehen wie am Abend. Der andere Elternteil priorisiert hingegen das pure Überleben: Hauptsache, die Kinder werden im Laufe des Tages satt, und Hauptsache, sie liegen am Abend gesund im Bett und schlafen gut.

Und so kann es sein, dass in der Abwesenheit des einen Elternteils alles etwas außer Kontrolle gerät. Vormittags wird dann schon eine Tierdoku angeschaut, dazu gibt es fettige Chips - ja! Die Krümel auf dem Sofa lügen nicht! Nachmittags wird ein spontaner Sit-in auf der nahen Baustelle organisiert, auch Nachbarn mit weiteren Kindern werden eilig dazu gerufen. Während die Kinder durch den Dreck krabbeln und sich Matsch zuwerfen, wird ein bisschen gequatscht und vielleicht auch schon ein frühes Bierchen gezischt. Und am Abend gibt es Döner für alle.

Hm, fest steht aber auch, dass man diese unzumutbaren Zustände keiner anderen Mutter erzählen kann. Lieber erzählt man lachend, wie der andere Elternteil neulich den Kleinen angezogen hat: Oben gestreift, untenrum eine knallrote Dreiviertelhose mit gelben Ananas drauf. Wie ein Clown sah der Kleine darin aus, und leider kein glücklicher; viel zu kalt war es an den Beinchen. Zum Glück kam der eine Elternteil in diesem Augenblick nach Hause und rettete das Kindchen vor schweren Erfrierungen.

Es kann aber nicht lange danach gewesen sein, da wandten sich die älteren Kinder mit hoffnungsvoll geweiteten Augen an den einen Elternteil: "Mama - wann bist du denn mal wieder weg? Wir wollen endlich mal wieder Döner!"

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