Süddeutsche Zeitung

Perspektiven:Marktplatz Grafing: Nur noch Monate, keine Jahre

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Die Stadt kann mit der Beruhigung des Areals wohl schon deutlich früher loslegen als bisher angenommen.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Grafing steckt gerade mitten in der Erstellung eines umfassenden Straßen- und Radverkehrskonzepts. Um nicht weniger als eine Neuordnung der Verkehrsströme geht es dabei. Das große Ziel: möglichst viele Autos weg vom Marktplatz zu bekommen - um selbigen dann mit Leben zu füllen. Die Voraussetzungen dafür könnten schneller geschaffen sein, als selbst viele im Stadtrat dachten.

"Wir reden bei den Herabstufungen der Staatsstraßen nicht mehr von Jahren, sondern inzwischen eher von Monaten", sagte Bauamtsleiter Josef Niedermaier in der Bauausschusssitzung am Dienstagabend - und die Augen der Gremienmitglieder wurden plötzlich ziemlich groß. Kein Wunder: Die Herabstufung dreier Staatsstraßen zu Grafinger Ortsstraßen ist so etwas wie der Schlüssel für den großen Grafinger Plan eines verkehrsberuhigten Marktplatzes und stadtweiten Radwegnetzes.

Hintergrund ist, dass die Stadt hinsichtlich neuer Tempo-30-Zonen, Fußgängerübergänge und dergleichen bei Staatsstraßen schon formal kaum mitreden kann. Zudem blickt der Freistaat weniger aus der Grafinger Perspektive auf sein Staatsstraßennetz. Sondern aus der des übergeordneten Verkehrs, der möglichst ungestört fließen soll. Tempo-30-Zonen, Fahrradspuren oder Zebrastreifen stören da nur.

Würden die Staatsstraße 2089 (Münchner Straße in Richtung Reitgesing und Glonner Straße Richtung Ortsausgang), 2080 (Rotter Straße in Richtung Ostumfahrung) sowie 2352 (Bahnhofstraße Richtung Grafing Bahnhof) zu Ortsstraßen deklariert, könnte Grafing Verkehrsberuhigungen größtenteils im eigenen Ermessen umsetzen. Und genau mit dieser Deklaration soll es nun weitergehen. Ausschlaggebend für die offenbar nun zügig mögliche Herabstufung ist laut Bauamtsleiter Niedermaier der laufende Ausbau der Kreisstraße EBE8 zwischen Schammach und Seeschneid.

Einmal fertiggestellt, fungiert der Abschnitt dann beispielsweise für den Verkehr zwischen Steinhöring nach Glonn als Grafinger Westumfahrung. Der überörtliche Verkehr würde nicht nur nicht mehr über den Marktplatz laufen. Er wäre sogar komplett aus der Stadt draußen. Laut Bürgermeister Christian Bauer (CSU) kann damit die konkrete politische Diskussion über die Umgestaltung des Marktplatzes beginnen.

Derweil wird auch immer klarer, wie das an die verkehrsberuhigte Innenstadt angedockte Radwegenetz einmal aussehen könnte. Laut den Planern, die es in der Sitzung grob skizzierten, müsste zunächst die Lücke entlang der Staatsstraße 2080 zwischen dem Kreisverkehr an der Ostumfahrung und der Rotter Straße geschlossen werden. Zusätzlich empfehlen sie eine Radwegverbindung zwischen Münchener Straße und Forellenstraße, entlang der Bahnlinie zwischen Bahnhofsplatz und Münchener Straße sowie entlang der Wasserburger Straße in Richtung Norden. Letzteres ließe sich eigentlich bereits als erledigt betrachten. Die Wasserburger Straße ist schließlich bereits verkehrsberuhigt.

Für die Schulwegverbindung vom bevölkerungsstarken Südwesten Grafings zur Grund- und Mittelschule im Nordosten ist eine Radweg-Verlängerung der Marinus-Oswald-Straße zum Seniorenhaus Grafing vorgesehen. Wichtig sei auch eine Direktverbindung zwischen Oberanger und Bahnhofstraße sowie der weitere Ausbau des Gindlkofener Wegs in Richtung Grafing-Bahnhof. Außerorts fehlten Radwege an Kapellen- und Schlossstraße sowie weiter in Richtung Oberelkofen.

Einmal mehr appellierte Planerin Alisa Picha-Rank vor dem Bauausschuss für Mut und Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung. "So etwas muss wirklich aus dem Blickwinkel der Radfahrer passieren. Wenn sich die Leute trotz allem unsicher fühlen, werden sie nicht aufs Fahrrad umsteigen." Deshalb sei dringend eine Führung des Radverkehrs - also etwa mit farblichen Markierungen - entlang der Bahnhofstraße nötig sowie zwischen Jahnstraße und Gerhart-Hauptmann-Straße. Darüber hinaus fehlten Schutzeinrichtungen entlang des Bahnhofplatzes bei den Autoparkplätzen. Gleiches gelte für die Abschnitte entlang der Rotter Straße, die wegen ihrer Funktion als Zubringer zur Ostumfahrung wohl nicht komplett zur Tempo-30-Zone gemacht werden kann.

Insgesamt listen die Planer rund 40 Einzelmaßnahmen auf. Sie alle abzuarbeiten, dafür dürften dann nicht nur einige Monate reichen, sondern wohl Jahre nötig sein.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2020
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