Süddeutsche Zeitung

Magazin aus Ebersberg:Dem Wald eine Bühne

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Ein Ehepaar aus Baiern hat zusammen mit Freunden das Heft "33% - Das Waldmagazin" entwickelt. Die Herausgeber wollen damit nicht die Natur erklären, sondern sie in ihrer ganzen Schönheit darstellen

Von Nathalie Stenger, Baiern

Vier Leute, zwei Ehepaare, ein Herzensprojekt. In der Mitte des Tisches liegt sie, die Testversion des Waldmagazins mit dem außergewöhnlichen Namen "33%" und dem schönen Coverbild aus dem Hallerbos-Wald in Belgien. Drumherum sitzen seine Begründer, Gestalter und kreativen Köpfe. Die vorbereiteten Fragen sind zahlreich, die Anspannung in den Räumen der Ebersberger SZ-Redaktion ist spürbar. Wie erklärt und verkauft man ein unbekanntes und bisher noch nie erschienenes Magazin richtig, damit potenzielle Leserinnen und Leser angesprochen werden? Keine leichte Aufgabe, der sich Tanja und Ronald Clauss sowie Britta und Christoph Mentzel verschrieben haben. Überhaupt haben sie sich keine einfachen Ziele gesetzt mit "33% - Das Waldmagazin". Die Prozentzahl deshalb, weil das die geschätzte Landfläche auf der Erde ist, die noch von Wald bedeckt wird, erklärt Ronald Clauss.

Warum gerade der Forst? Solche Magazine scheinen doch schon zur Genüge in den Verkaufsregalen zu stehen. "So wie wir das machen wollen, gab und gibt es das auf dem Markt noch nicht", sagt der Grafikdesigner aus Baiern. Im Gegensatz zu bekannten Förstern wie Peter Wohlleben können und wollen sie den Wald nicht erklären, da sind sich die Vier einig. "Keiner von uns ist Waldschrat oder Biologe. Aber ich glaube auch nicht, dass es notwendig ist, Biologe zu sein, um Geschichten über den Wald zu erzählen", so Clauss weiter.

Das ist es nämlich, was die Magazin-Gründer vorhaben - inspirieren und besondere Geschichten teilen, die überall auf der Welt passieren und im Zusammenhang mit dem Wald stehen. Im Extremfall sogar Erzählungen von Ländern ganz ohne Bäume. "Das Thema ist sehr breit gefächert. Mit dem Wald hängt so viel zusammen. Da ist natürlich der Baustoff, dann Architektur, aber auch das Leben von Förstern und Jägern. Genauso kann man auch den Alltag von Menschen beleuchten, die ganz ohne Bäume zurechtkommen", sagt Tanja Clauss.

Im Sommer 2017 hat die Grafikdesignerin, die am Waldrand bei Erlangen aufgewachsen ist, die Idee zu einem Waldmagazin zum ersten Mal geäußert und gleich darauf ihre Freundin und frühere Arbeitskollegin Britta Mentzel kontaktiert. Die Journalistin und Lektorin aus Altomünster bei Dachau habe sofort eine lange Listevoller Ideen geschickt, sagt Tanja Clauss und lacht, als sie daran zurückdenkt. Mit im Boot sind außerdem Lektorin Christine Miller und die Ehemänner Ronald Clauss und Christoph Mentzel. Letzterer ist als Projektleiter im Bereich Energiedienstleistungen im Gegensatz zu den anderen drei nicht selbständig, kann also die Produktion finanziell ein wenig unterstützen. Denn so ein Magazin kostet. Zeit und Geld, und von beidem eine ganze Menge.

Bis jetzt haben sie einen vierstelligen Betrag in ihr Projekt gesteckt, erzählen die beiden befreundeten Paare, das soll sich mit der ersten richtigen Auflage aber ändern. Eigentlich war ein Crowdfunding zur Finanzierung des Starts des Magazins angedacht, dies war im vergangenen Sommer gescheitert. "Die Idee etwas zu finanzieren, das noch gar nicht da ist, war nicht präsent bei vielen Menschen in unserem Bekanntenkreis", erklärt Ronald Clauss, der regelmäßig auf Instagram unterwegs ist, um auf das Waldmagazin aufmerksam zu machen.

Doch Aufgeben kam nicht in Frage. Nach einer kurzen Ernüchterungsphase war klar: Mit mehr Anzeigen, Senkung der Produktions- und Vertriebskosten, Vorbestellungen und Eigenanteil, wird das Magazin trotz allen Schwierigkeiten Ende Februar mit einer Startauflage von 3500 Exemplaren erscheinen und deutschlandweit an Flughafen- und Bahnhofskiosks und online zu erwerben sein. Christoph Mentzel hat den Finanzplan aufgestellt. "Uns ist klar, dass es erst mal ein Nullsummenspiel sein wird, und das eine Zeit lang. Wir machen das einfach nur aus Freude und Spaß - mittelfristig sollte natürlich etwas dabei herumkommen, aber das wird sich zeigen." Freude und Spaß an dem Magazin haben sie wirklich, das hört man an den Erzählungen und sieht man beim Durchblättern der Testausgabe. Zu finden sind darin eindrucksvolle Bilder und Panoramen aus verschiedenen Kontinenten, Reportagen zu Fahrrädern aus Bambus in Afrika, Texte über das Zusammenleben von Mensch und Bär in Slowenien und Essays über den Wert des Waldes. Rubriken wie "Kleinholz" und "Krautschicht" geben Buch- und Filmempfehlungen und stellen kompakt auf einer Seite Pflanzen, hier etwa den Fingerhut, vor.

Verantwortlich für den Inhalt ist Britta Mentzel. Als Chefredakteurin entscheidet sie, was auf dem regional und klimaneutral bedruckten Papier steht. Alles selbst schreiben kann sie freilich nicht. "Wir haben auf zahlreiche Autoren und Fotografen zurückgegriffen, die Tanja und ich noch von unserer Magazinzeit kannten. Wir alle lesen oft, schauen uns viel an, so wird man auf Leute aufmerksam. Die Geschichten und Fotos, die wir jetzt in unserer Nullnummer haben, sind von befreundeten Profis", erklärt sie die Zusammensetzung des Hefts. So wird es auch in der ersten offiziellen und allen kommenden Ausgaben sein, die mit 100 Seiten doppelt so dick sein werden als die Version auf dem Tisch - ein Netz aus nahen und fernen Kontakten, das stetig wächst, sorgt alle drei Monate für ein thematisch und optisch kunterbuntes Magazin.

Die abgedruckten Fotografen und Autoren müssen natürlich auch honoriert werden. 12,50 Euro soll ein Exemplar für Waldbegeisterte dementsprechend kosten. Für die Zielgruppe aber durchaus zu finanzieren, finden die Vier. Das sind nämlich Menschen ab 25 Jahren. "Angezielt sind Berufstätige, die interessiert und offen sind für guten Journalismus, und dafür auch das nötige Geld aufbringen wollen", so Ronald Clauss.

Ob es denn im Zuge der Zeit zusätzlich zur Printversion auch eine digitale Ausgabe geben wird? Zunächst einmal nicht, laute der Tenor der Gruppe. "Der Wald ist analog, der ist nicht virtuell", antwortet Tanja Clauss. "Man kann diese Fotos nicht auf kleinen Handydisplays sehen", fügt ihr Mann hinzu, "die brauchen ihren Platz, die brauchen ihre Luft." Und die Klimaproblematik? Immerhin ist es Magazin aus Papier. "Die kann auch an unserem Heft nicht vorbeigehen. Da können auch mal Geschichten zum Hambacher Forst kommen. Wir wollen dem Wald eine Bühne bereiten", so der Grafikdesigner. "Denn das, was man kennt, will man schließlich auch schützen", schließt die Ideengeberin.

Eine letzte Frage zur Arbeit bleibt noch: Wie kommunizieren die beiden Parteien, die mit Wohn- beziehungsweise Arbeitsorten einmal im Nordwesten und einmal im Südosten von München positioniert sind? Mit dem Internet und dem Telefon. Ronald Clauss umschreibt es noch einmal anders: "Wir sind interdisziplinär vernetzt, um ein Offline-Magazin zu machen - is' doch geil, oder?"

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020
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