Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:Hohe Strafe für Fotomontage

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Weil er im Internet einen Polizisten mit der SS gleichgesetzt hat, muss ein 63-Jähriger 4200 Euro plus Schmerzensgeld bezahlen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Erkannt zu werden ist für manche erstrebenswert, für andere eher lästig - für den Mann, den das Ebersberger Amtsgericht nun als Zeugen hörte, ist es eher schon bedrohlich. Erst kürzlich sei er auf einem Familienausflug von einem völlig Fremden angesprochen worden, in einer eher unguten Weise. Ein Grund dafür sitzt auf der anderen Seite des Gerichtssaales, ein älterer Herr aus dem Landkreiswesten. Der 63-Jährige hat - zusammen mit vielen anderen - dazu beigetragen, dass der Zeuge sich in der Öffentlichkeit nicht mehr so bewegen kann wie die meisten Leute.

Die Vorgeschichte begann eigentlich ganz harmlos, als der Zeuge, Polizist in Schleswig-Holstein, 2017 für einen Zeitungsartikel zum G20-Gipfel interviewt wurde. Dazu wurde auch ein Foto des damals 32-Jährigen veröffentlicht. Knapp drei Jahre später wurde dieses Bild dann aber zur Vorlage einer Fotomontage, mit der in Querdenkerkreisen gegen den angeblichen Polizeistaat protestiert wurde. Die eine Hälfte des Bildes zeigt den Polizisten aus dem Norden, die andere einen SS-Mann. Bildunterschrift: "Ich führe nur Befehle aus." Auch der nun Angeklagte fand die Montage offenbar gut und veröffentlichte sie auf seiner Facebook-Seite.

Der Strafbefehl wurde nicht akzeptiert

Womit er indes gleich drei Straftaten beging: Weil auf dem Foto-Teil mit dem SS-Mann die entsprechenden Runen zu sehen sind, ist dies für die Justiz das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Weil das Foto den Zeugen mit Kriegsverbrechern gleichsetzt gilt es als Beleidigung und weil die Veröffentlichung nicht mit dem Abgebildeten abgesprochen ist, kommt noch ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz dazu. Dafür war der Angeklagte bereits per Strafbefehl zu 80 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt worden, wogegen er allerdings Einspruch einlegte, weshalb die Sache nun vor Gericht verhandelt wurde.

Dort war der Angeklagte auf sich allein gestellt, seine Anwälte - die beiden haben übrigens vor sechs Jahren versucht, der AfD per Klage eine Teilnahme am Münchner Straßenfest Corso Leopold in Schwabing zu ermöglichen - hatten den Termin verpasst. Wegen eines Computerausfalls, teilten sie noch telefonisch mit und rieten dem Mandanten, auf keinen Fall das Urteil gleich anzunehmen.

Überhaupt ein solches zu vermeiden sei sein Ziel, erklärte der Angeklagte auf Nachfrage der Vorsitzenden. In der Sache zeigte er sich geständig und entschuldigte sich auch ausdrücklich beim Zeugen, der als Adhäsionskläger parallel gleich seine zivilrechtlichen Ansprüche geltend machte: 750 Euro Schmerzensgeld. Ähnliche Beträge fordert der Zeuge derzeit bundesweit von Leuten ein, die das verunglimpfende Bild mit seinem halben Gesicht im Netz verbreiten, aktuell sind es 65 Fälle, ein Ende sei nicht abzusehen. Auf Anregung des Gerichts einigten sich Angeklagter und Geschädigter per Vergleich auf 500 Euro, zu zahlen binnen einer Woche.

Der Angeklagte hat Angst um den Führerschein

So einfach ließ sich indes die strafrechtliche Seite nicht erledigen. Der Angeklagte hatte eine Einstellung gegen Geldauflage angeregt. Dies vor dem Hintergrund, dass er in Kürze seinen Personenbeförderungsschein erneuern lassen muss. Dafür ist auch ein polizeiliches Führungszeugnis erforderlich und zwar ein besonders ausführliches. Er befürchte, dass das Kreisverwaltungsreferat ihm seine Fahrerlizenz nicht erneut ausstelle, wenn er verurteilt werde. Die Staatsanwaltschaft ließ sich auf den Deal aber nicht ein.

Am Ende stand ein Urteil, das sich für den Angeklagten nicht gerechnet hat. Zwar waren es nur 70 Tagessätze, wegen seiner Entschuldigung und dem Vergleich, die Tagessatzhöhe stieg aber auf 60 Euro, weil der Angeklagte mehr verdient, als zunächst angenommen. Zudem muss er noch die Gerichtskosten tragen, darin inklusive die Reisekosten des Zeugen. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, der Angeklagte kündigte an, es nicht anzunehmen. "Das ist definitiv zu hoch." Auch vor dem Hintergrund, dass er ja nicht den Nationalsozialismus verherrlichen, sondern lediglich gegen "übergriffiges Staatsverhalten" protestieren wollte.

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