Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:Reuiger Rüpel

Lesezeit: 3 min

Weil er seine damalige Lebensgefährtin geschlagen und deren Tochter bedroht hat, muss sich ein 43-Jähriger vor Gericht verantworten. Dort ist der Mann nicht das erste Mal.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Gerichtssäle hat er in den vergangenen Jahren einige von innen gesehen, der 43-Jährige, der sich nun wegen Körperverletzung und Bedrohung am Ebersberger Amtsgericht verantworten musste. Ganze 22 Mal ist er vorbestraft, seit 1995 hat er im Schnitt fast jedes Jahr eine Verurteilung bekommen. Die Taten reichen von Schwarzfahren über Alkohol am Steuer, Beleidigungen, Diebstähle, Drogenbesitz und immer wieder Körperverletzung.

Eine solche wirft ihm auch diesmal die Staatsanwaltschaft vor, im März dieses Jahres soll er seine damalige Lebensgefährtin geohrfeigt haben. Und das durchaus heftig, ein ärztliches Attest bescheinigt der Geschädigten eine Verletzung des Trommelfells. Am gleichen Tag soll der Angeklagte auch die Tochter seiner damaligen Freundin mit einem Messer bedroht haben, "ich stech Dich ab" soll er dazu gesagt haben. Bei dieser Aktion war es indes der Angeklagte, der verletzt wurde, als er in die Schneide des Messers langte.

Er könne sich zwar nicht mehr genau erinnern, gebe aber alles zu, so der Angeklagte

Was - wie wohl die Ereignisse des betreffenden Abends insgesamt - am nicht geringen Alkoholpegel des Angeklagten gelegen haben muss. Nach eigenen Angaben hatte er vor der Ohrfeige mindestens eine Viertelflasche Schnaps getrunken. Die Taten räumte er vor Gericht sofort ein, auch wenn er sich nicht mehr im Detail erinnern könne, seien die Sachen sicher so vorgefallen, wie es die beiden Frauen bei der Polizei ausgesagt hatten.

Wie es überhaupt zu dem Vorfall gekommen ist, versuchte der Angeklagte sehr ausführlich zu erklären. Nachdem er einige Zeit lang keinen Ärger mit der Justiz hatte, habe sich sein Leben stabilisiert. Er habe einen Job als Haustechniker gefunden und seine spätere Lebensgefährtin kennengelernt. 2019 sei aus einer anfänglichen Freundschaft mehr geworden, die beiden zogen zusammen. Im vergangenen Jahr habe er aber einen Burnout erlitten und den Job verloren, so der Angeklagte, seine Freundin habe ihn außerdem mit einem Kollegen betrogen.

In dieser Situation sei es immer öfter zu Streit gekommen, "sie war auch nicht ohne", so der 43-Jährige, habe ihn beispielsweise mit Sachen beworfen. An dem Abend des angeklagten Vorfalls seien die Lebensgefährtin und deren Tochter zusammen mit dem Angeklagten in der Wohnung von dessen Mutter gewesen und hätten dort auch übernachten wollen. Dies habe er aber nicht gewollt, so der Angeklagte, der offenbar ein Problem mit der Tochter hat. Diese würde Senioren betrügen, gab er vor Gericht an. Die Sache mit dem Messer habe sich dann aber nicht in der Wohnung der Mutter ereignet, sondern einige Zeit nach der Ohrfeige in der gemeinsamen Wohnung des Angeklagten und seiner damaligen Freundin.

Sehr ausführlich beklagte sich der Angeklagte mehrmals über deren Charakter, sie habe ihn nach Strich und Faden ausgenutzt, das sei ihm jetzt klar. Dennoch wolle er ihr und der Tochter eine Aussage ersparen, mit seinem Geständnis wolle er "jetzt einen Punkt setzen" unter die ganze Angelegenheit.

Wenige Tage vor den nun angeklagten Taten war er wegen Drogenbesitz verurteilt worden

Dies sei auf jeden Fall zugunsten des Angeklagten zu werten, so die Staatsanwältin, und die Reue sei auch glaubhaft. Auch dass die Taten spontan und unter Alkoholeinfluss erfolgten, könne man zugunsten des Angeklagten werten. Zu seinen Lasten allerdings seien zum einen die zahlreichen Vorstrafen zu sehen sowie die "hohe Rückfallgeschwindigkeit": Nur wenige Tage vor den nun angeklagten Taten habe der 43-Jährige einen Strafbefehl wegen Drogenbesitzes erhalten. Die Anklagevertreterin beantragte daher sechs Monate auf Bewährung und 1500 Euro an eine soziale Einrichtung.

Der Angeklagte, der ohne Anwalt erschienen war, beteuerte in seinem Schlusswort noch einmal, dass ihm die ganze Sache leid tue. Er wolle mit dem Alkohol aufhören und habe sich auch schon eine Überweisung für eine Psychotherapie besorgt, die er demnächst antreten wolle.

Richterin Vera Hörauf folgte weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, angesichts der finanziellen Situation gab es statt Geldauflage 80 Arbeitsstunden. Außerdem bekommt der Verurteilte einen Bewährungshelfer zugeteilt, der ihn unterstützen soll, seine "vielen Baustellen" in den Griff zu bekommen. Also etwa seine Probleme mit Alkohol und anderen Drogen sowie den Burn-Out, die Suche nach einem neuen Job und die Abzahlung der noch offenen Geldstrafe und seiner Schulden. "Damit Sie nicht wieder in die Überforderung kommen", so die Richterin.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5706047
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.