Süddeutsche Zeitung

Kultur in Ebersberg:Noch nicht im Ausgeh-Modus

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Ein verunsichertes Publikum, überbordende Bürokratie: Obwohl der "Ebersberger Kultursommer" ein tolles Programm zu bieten hatte, ist die Bilanz eher durchwachsen. Ob es wohl eine Fortsetzung geben wird?

Von Anja Blum

Auf der Bühne war sehr viel Licht - dahinter eher weniger." So fasst Sebastian Schlagenhaufer, Initiator und Manager des ersten "Ebersberger Kultursommers", die Lage zusammen. Sprich: Jene Veranstaltungsreihe quer durch den Landkreis, die den Erschwernissen der Pandemie unter freiem Himmel trotzen sollte, endet mit einer eher durchwachsenen Bilanz. Zumindest für den Grafinger Stadthallenchef, bei dem alle organisatorischen Fäden zusammenliefen.

Generell, betont er, sei es freilich sehr schön, dass das alles habe stattfinden können. Mehr als 30 Veranstaltungen in Ebersberg, Grafing, Moosach, Glonn und Markt Schwaben konnten dank des großzügig geförderten Projektes angeboten werden, das Geld dafür stammte größtenteils aus dem Programm "Neustart Kultur" des Bundes und auch aus der Kasse des Landkreises. Angeschafft wurde damit eine professionelle mobile Bühne samt Technik, also ein Anhänger, der den Sommer über von Spielstätte zu Spielstätte gefahren wurde. Die jeweiligen Veranstalter konnten die Open-Air-Bühne dann ganz individuell, nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen, bespielen.

"So ist ein ganz tolles, buntes Programm entstanden", schwärmt Schlagenhaufer, "für Jung und Alt, von Mainstream über Lokalkolorit bis hin zu ziemlich abgefahrenen Sachen." Es gab Kindertheater, Poetry-Slams, Vorträge und Diskussionsrunden, Jazz, Blues sowie allerhand andere Konzerte und Kabarett. Als Testkünstler diente Lokalmatador Hans Klaffl. Gerade in Ebersberg, wo dank des Projektes ein außerplanmäßiges "Kulturfeuer" stattfinden konnte, sei man hochzufrieden, erzählt Schlagenhaufer, aber auch beim Theaterverein in Markt Schwaben oder beim Meta Theater habe das Konzept sehr gut funktioniert.

Überhaupt sei es von unschätzbarem Wert, so der Initiator aus Grafing, dass die Veranstalter im Landkreis in diesem außergewöhnlichen Sommer erstmals gemeinsame Sache gemacht hätten. "So haben wir uns endlich mal alle besser kennengelernt, und die Zusammenarbeit war überragend", berichtet er. Und auch vonseiten des Landratsamtes habe man tolle Unterstützung erfahren. Auf all dem könne man künftig - Corona hin oder her - definitiv aufbauen.

Trotzdem gibt es für den Kulturmanager auch einigen Grund zur Klage. Angefangen vom "nicht optimalen Wetter", das Open-Air-Veranstaltungen ja immer zur Zitterpartie macht, bis hin zu den Besonderheiten in diesem zweiten Corona-Jahr, das geprägt war von sich ständig ändernden Regelungen. "Die Leute sind einfach sehr verunsichert", sagt der Stadthallenchef, selbst bei Veranstaltungen unter freiem Himmel habe es Nachfragen wegen des jeweiligen Hygienekonzepts gegeben. Und bei Terminen drinnen, wie dem Abschlusskonzert vergangene Woche mit Jamaram, das Schlagenhaufer witterungsbedingt in die Stadthalle verlegt hatte, sei es noch schlimmer. "Der eine will auf keinen Fall eine Maske tragen und lieber Abstand halten, der andere empfindet Veranstaltungen ohne Mund-Nasen-Schutz als zu gefährlich." Insofern sei es momentan noch schwieriger als sonst, es allen recht zu machen. "Irgendwen verprellt man immer."

Am besten funktioniert hätten beim Kultursommer jene Veranstaltungen wie im Ebersberger Klosterbauhof, die Biergartenatmosphäre und freien Eintritt boten, weil solche Modelle der momentanen Unsicherheit offenbar am besten gerecht würden. "Klar, jeder von uns hat ja schon fünf bis zehn Karten daheim, für Veranstaltungen, die immer wieder verschoben werden mussten", so Schlagenhaufer. Diesem Stapel noch weitere Tickets hinzuzufügen, da sei wohl niemand scharf darauf. Und ganz generell sei das Interesse an Kultur derzeit offenbar ziemlich gering, was Künstler und Veranstalter wie ihn freilich deprimiere und mit Sorge erfülle. "Die Leute müssen endlich wieder in den Ausgeh-Modus kommen!"

Und noch etwas war für den Grafinger frustrierend in den vergangenen Monaten: der enorme Verwaltungsaufwand rund um den Kultursommer. Diese ganze komplizierte Bürokratie, all die Anträge, Nachweise und Geldbeträge, die zwischen den einzelnen Veranstaltern, ihm, dem Landratsamt und der Bundesstiftung innerhalb kurzer Fristen ausgetauscht hätten werden müssen - das habe enorm viel Energie gekostet. "So starre Vorgaben sind einfach eine Blockade und binden viele Ressourcen, die ich lieber in das eigentliche Projekt gesteckt hätte." Etwas einfacher sei die Abwicklung nur in jenen Fällen gewesen, in denen der jeweilige Veranstalter die Kosten habe vorstrecken können. "Aber insgesamt war es einfach auch schwierig, weil alles so kurzfristig über die Bühne gehen musste. "Die Politik hat sehr lange mit konkreten Aussagen gewartet, und dann musste es sehr schnell gehen." Ende Mai habe es die Zusage gegeben, Ende Juni schon sei die mobile Bühne das erste Mal zum Einsatz gekommen.

Insgesamt betrachtet sei er sich also momentan auch mehr als unsicher, ob er für eine zweite Ausgabe des Ebersberger Kultursommers zur Verfügung stehen wolle, sagt der Hauptorganisator. "Fest steht: So blauäugig, was den Zeitaufwand angeht, werde ich da nicht noch mal reingehen." Zumal die Bedingungen rund um das Projekt künftig nicht unbedingt einfacher würden: Festgelegt ist, dass mit der mobilen Bühne auch in den kommenden zwei Jahren kein Gewinn erwirtschaftet werden darf. "Es müsste also auf jeden Fall erst einmal ein Nachfolgekonzept her", erklärt Schlagenhaufer. Erste Gespräche mit dem Landratsamt wegen weiterer finanzieller Unterstützung habe es deswegen auch schon gegeben, doch allzu große Hoffnungen hätten diese nicht gemacht.

Sollte die Suche nach einer für alle Beteiligten gangbaren Lösung scheitern und es tatsächlich keinen zweiten Kultursommer im Landkreis Ebersberg geben, müsste der Anhänger laut Schlagenhaufer wieder veräußert und das Geld an die Bundesstiftung zurückgezahlt werden. Doch das wäre sehr, sehr schade.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2021
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