Süddeutsche Zeitung

Kirchseeon:Kirchseeons heiße Kisten

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Um Lösungen für Ortsumfahrung und Schwellenwerk zu finden, laden die Freien Wähler zur Diskussionsrunde ein

Von Jessica Morof, Kirchseeon

Es kocht und brodelt im Kurvenwirt. Doch weder der brutzelnde Grillspieß in der Küche noch die 30 Grad warme Abendluft lassen die Besucher der Gaststätte schwitzen. Es sind die Themen des Abends, die die Gemüter der etwa 70 Anwesenden aufheizen: die Sanierung des ehemaligen Schwellenwerkareals und die Ortsumfahrung von Kirchseeon. Die Freien Wähler (FW) haben an diesem Mittwoch Bürger und Landtagsabgeordnete in die Gaststätte "Athos" eingeladen, um diese Themen anzugehen. Am Expertentisch saßen Architekt Dietrich Thie, die FW-Landtagsabgeordneten Benno Zierer, Michael Piazolo, Nikolaus Kraus sowie der Kreisvorsitzende Wilfried Seidelmann. "Wir können nicht Ihre Fragen an die Regierung beantworten", erklärt Piazolo; das Ziel sei, Material zu sammeln und Anfragen an die Staatsregierung zu stellen. Und eingesammelt haben die Abgeordneten Einiges. Insbesondere das Thema der Ortsumfahrung debattierten Kirchseeoner und die Bürger angrenzender Gemeinden heftig.

Den Süden vor einer Trasse zu schützen, ist einigen ein besonderes Anliegen. Brigitte Sickinger aus Kirchseeon warf der Regierung vor, dass die nördliche Trasse extra "teuer gerechnet" wurde. Horst Rist aus Pötting wies zudem darauf hin, dass eine Südumfahrung viel teurer werden würde, als die bisherige Kostenschätzung vorsieht. Und Toni Ried (FW), zweiter Bürgermeister in Ebersberg, sagte zur Tunnelvariante: "Ich traue mich, darüber weiter nachzudenken." Eine Nordvariante würde allerdings durch ein Flora-Fauna-Habitat verlaufen. Doch:"FFH ist eine heilige Kuh", betonte Benno Zierer immer wieder. Meint: Eine Trasse sei dort so gut wie unmöglich. "Alles andere wäre gelogen." Trotzdem warf Hermann Will vom Verein "Wasser ist Leben" ein: "Es gibt keine Lösung im Süden, weil von dort das Grundwasser genommen wird." Damit erntete er heftige Kritik von Barbara Blanc. Hier würden Themen zusammengeworfen, die nichts miteinander zu tun hätten. "Wie viele Straßen gibt es in Bayern, die durch ein Wasserschutzgebiet führen?", fragte sie. Man müsse den Straßenbau vom Grundwasserschutz trennen, forderte sie. Abschließend richtete Sonja Naumann, Anrainerin an der Bundesstraße, ihr Wort an die Abgeordneten. Auch sie wäre für einen Tunnel, aber wie Zierer glaube sie nicht daran. Trotzdem müsse bald eine Lösung her: "Wir haben hier eine Katastrophe. Bitte helfen Sie uns - und helfen Sie uns bald!"

Die anschließende Diskussion um das Schwellenwerk verlief weniger hitzig. Zu Beginn informierte Wilfried Seidelmann über die Schwierigkeiten dieses Gebiets. "Es wäre an sich ein Filetstück von Kirchseeon, weil es nah am Bahnhof liegt", sagte er, wies aber auf die "drei ganz heißen Kisten" - sprich die Teeröl- und Quecksilberversiegelungsanlagen - hin. Sein Wunsch: "zumindest eine Quecksilbersanierungsanlage". Denn bisher habe man das Erdreich nur vor weiteren Verunreinigungen geschützt. Das bereits vergiftete Wasser sei aber noch nicht gereinigt. Benno Zierer stimmte ihm zu: "Das sind wir unseren Nachfahren schuldig."

Auf die Frage, wie das Gebiet des ehemalige Schwellenwerks künftig bebaut und wie die Verkehrsanbindung bewerkstelligt werden soll, stellte Architekt Thie bisherige städtebauliche Entwürfe vor, die nicht durchgegangen sind. Und Kirchseeons dritter Bürgermeister Klaus Seidinger (FW) berichtete, dass vor einem halben Jahr Gespräche mit einem möglichen Investor für eine Wohnbebauung aufgenommen wurden. Doch daraus würde sich ein Bevölkerungszuwachs von 1500 Personen ergeben. "Für Kirchseeon ist das fast nicht zu bewältigen", betonte er. Die Pläne lägen momentan auf Eis.

Mit all den Erkenntnissen des Abends möchten die Abgeordneten sich nun an die Regierung wenden. "Wir bleiben im Gespräch, damit sich was bewegt", versprach Piazolo abschließend.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2015
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