Süddeutsche Zeitung

Kein Tag wie jeder andere:Ein Haus für Gott und die Menschen

Lesezeit: 3 min

Kardinal Reinhard Marx weiht in einem feierlichen Gottesdienst die neue Pfarrkirche Seliger Rupert Mayer in Poing. Der Andrang der Gläubigen ist riesengroß

Von Barbara Mooser, Poing

Als alles vorbei ist, leert sich die neue Kirche nur sehr langsam. Die Poinger spazieren zum Taufbecken, stellen sich vor dem Altar zum Familienfoto auf, bestaunen Tabernakel und Ambo. Die Freude darüber, dass die neue Pfarrkirche Seliger Rupert Mayer nun ihnen gehört, dass sie den hellen neuen Kirchenraum mit Leben füllen dürfen, ist geradezu spürbar. Auch Waltraud Rohne lehnt noch an einer Kirchenbank und schaut sich um. "Ein bisschen leer, aber toll", urteilt die sie über das neue Gebäude. Zur Kirchweih ist sie extra aus der Nachbargemeinde Markt Schwaben gekommen, schließlich kann man einen Tag wie diesen nicht allzu oft erleben, in einer Zeit, in der Kirchen aufgrund des Rückgangs an Gläubigen schon mal in Hotels oder Clubs umgewandelt werden.

"Sprungschanze" nennen die Poinger das Gebäude

Das funkelnde Äußere ihrer neuen Pfarrkirche ist den Poingern inzwischen vertraut; seit die markante Form des Gotteshauses im Rohbau erkennbar wurden, nennen sie das Gebäude "Sprungschanze", mal ist das liebevoll gemeint, mal eher spöttisch. Von innen blieb die neue Kirche allerdings bisher den Blicken verschlossen, immer wieder sah man in den vergangenen Wochen Poinger, die durch die Scheibe neben dem Eingang spähten, um wenigstens einen kleinen Einblick vom Kirchenraum zu erhaschen.

Auch am Sonntag blieben die schweren Türen zunächst zu: Erst, als Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, mit dem Bischofsstab gegen das Portal klopfte, wurde es geöffnet und die Gläubigen durften nach dem liturgischen Dienst die Schwelle der Kirche zum ersten Mal überschreiten. Beziehungsweise: ein Teil der Gläubigen. Denn viele schafften es gerade mal bis zur Schwelle, bevor ihnen die Ordner mit einem bedauernden Lächeln mitteilen mussten, dass die Kirche leider wegen Überfüllung geschlossen sei. "So einen Andrang wünschen wir uns an jedem Sonntag", sagte der Erzbischof mit Blick auf die voll besetzten Reihen und diejenigen, die immerhin noch einen Stehplatz ergattert hatten.

Draußen fehlt die Sicht, dafür gibt es frische Luft

Diejenigen, die sich letztlich damit begnügen mussten, den Gottesdienst über die Lautsprecher im Freien zu verfolgen, hatten zwar keine Sicht auf das Geschehen - immerhin aber reichlich frische Luft um sich herum. Diese fehlte im Inneren an diesem heißen Tag doch erheblich, weshalb die BRK-Helfer einige kreislaufgeschwächte Gottesdienstbesucher versorgen mussten, darunter auch mehrere Ministrantinnen und Ministranten.

Für die meisten war es aber dennoch ein beeindruckendes Erlebnis, den Weihegottesdienst mitzufeiern. Wie eine solche Feier abzulaufen hat, wie also aus einem Neubau eine Kirche wird, das ist genau festgelegt im Pontifikale, einem liturgischen Buch. Dazu gehört etwa die Segnung von Ambo und Taufbecken oder die Salbung des Altars mit Chrisam. "Der Altar wird wie eine Person behandelt, weil er für Christus steht", sagte Marx.

Im Altar sind Reliquien beigesetzt

Dichte Rauchschwaden erhoben sich ins Kirchenschiff, als auf dem Altar Weihrauch verbrannt wurde - Symbol dafür, dass die Gebete der Gläubigen zu Gott aufsteigen wie Rauch. Auch die Beisetzung von Reliquien im Altar gehört zu den Weiheriten, dies soll ein Zeichen dafür sein, dass durch die Eucharistie alle Gläubigen miteinander verbunden sind, die Lebenden wie die Toten. In Poing wurden Reliquien des Seligen Rupert Mayer und des Seligen Otto von Freising beigesetzt.

In seiner Predigt ging Kardinal Marx vor allem darauf ein, was Kirche ausmacht. Kirchen ermöglichten die "Begegnung, Versammlung und Öffnung auf das Geheimnis Gottes", sagte er. In der "Geschichte des Volkes Gottes" habe es immer wieder Diskussionen darüber gegeben, ob man "Gott ein Haus bauen" und ob man sich ein Bild von ihm machen könne und dürfe, sagte Kardinal Marx. Eigentlich gehe das nicht, so der Erzbischof, "wir tun es trotzdem." Denn es gebe viele Bilder von Gott, erklärte der Erzbischof, "das seid ihr." Alle Menschen seien "Abbilder Gottes".

Das Motto: "Menschen verbinden"

Gott zeige sich den Menschen in Jesus von Nazareth. Er sei kein Gott, dem man "Opfer bringen", zu dem man "hingehen" müsse, so der Erzbischof. "Gott geht mit uns. Gott will dabei sein, wo die Menschen sind." In Kirchen werde die Gegenwart Christi deutlich. "Auch wenn wir nie ganz fertig sind mit Suchen, Zweifeln, Ängsten, hier erfahren wir: Er ist da."

"Menschen verbinden" hatte die Kirchengemeinde als Leitwort für den Weg zur Weihe gewählt. Die vielen Facetten des Gemeindelebens zeigten sich auch im Gottesdienst: Kinder leiteten mit Liedern die Feier ein, mehrere Musikgruppen spiegelten die Vielfalt Poings wieder. Die wichtige kroatische Gemeinde war durch ihren Chor repräsentiert, aber auch an der Seite des Bischofs: zu den Konzelebranten zählten neben Christoph Klingan und Michael Holzner, dem jetzigen und früheren Pfarrer Poings, unter anderem auch der Pfarrer der Partnergemeinde Poreč in Kroatien. Und dass die evangelische Kirche der neuen katholischen Kirche nicht nur räumlich nahe ist, machte Pfarrerin Johanna Thein am Ende deutlich: "Meine Gemeinde und ich, wir freuen uns mit euch über diesen Ort des Gottesdienstes."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4009639
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.06.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.