Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitik und Jugendarbeit:An der Zipline durch Markt Schwaben?

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Jugendliche sollen mitbestimmen können, was in der Marktgemeinde passiert. Bei den Workshops zum Projekt "Jugend entscheidet" kommen auch einige ungewöhnliche Vorschläge.

Von Mathilde Wicht, Markt Schwaben

Es wäre schon ein Spaß: an der Zipline über den Marktplatz schweben, statt dem Rad die Seilbahn zum Schwimmbad nehmen. Doch das wird es in der Marktgemeinde wohl auch in Zukunft eher nicht geben. Eine Zipline für Markt Schwaben, das ist einer der unkonventionelleren Vorschläge von Jugendlichen für ihre Gemeinde. Doch mindestens einer der elf anderen Vorschläge, die die jungen Leute erarbeitet haben, muss umgesetzt werden. Das ist schließlich der Grundgedanke des Projekts "Jugend entscheidet", für das Markt Schwaben ausgewählt wurde.

Start ist am Dienstag, es ist heiß an diesem Nachmittag in Markt Schwaben, und der Sitzungssaal im Unterbräu füllt sich langsam, aber sicher. Die Jugendlichen kommen in Grüppchen an, es ist laut, Namensschildchen werden verteilt und Plätze zugeordnet. Es ist der erste von zwei Thementagen des Projektes der Hertie-Stiftung, das sich an innovative Kommunen wendet, die bereit sind, die Jugend in den Themen Verwaltung und Politik mitentscheiden zu lassen. "Politik, die sich was traut" ist der Slogan des Projekts, und er passt gut. Die Kommunen, die sich bewerben, müssen sich trauen und bereit sein, Jugendliche zu fördern, ihnen zuzuhören und ihnen Entscheidungen zu überlassen.

"Das Bewerbungsvideo hat die Jury umgehauen"

Michael Stolze (parteilos), Bürgermeister von Markt Schwaben, ist dazu bereit. Er hat sich bereits zum zweiten Mal beworben und gezeigt, wie wichtig es ihm ist. "Es haben sich dieses Jahr 150 Kommunen bundesweit beworben und wir haben uns für nur 15 entschieden. Der Bewerbungsprozess ist wichtig, um herauszufiltern, wer es wirklich ernst meint", so Nora Boutaoui von der Hertie-Stiftung. Unter anderem musste ein Bewerbungsvideo eingereicht werden, und die Markt Schwabener haben offensichtlich ihre Sache gut gemacht: "Das Bewerbungsvideo von Michael Stolze und seinem Team hat die Jury umgehauen und auch der Fakt, dass sie sich zum zweiten Mal bewerben, hat ihnen Pluspunkte verschafft", sagt Boutaoui.

Die 1974 gegründete gemeinnützige Hertie Stiftung besteht bis heute mit zwei Leitthemen: die Erforschung des Gehirns und die Stärkung der Demokratie. Neben "Jugend entscheidet" fördert die Stiftung unter anderem die Projekte "Jugend debattiert" oder "Mitwirken", ein mehrstufiges Förderprogramm für Projekte und Initiativen, die sich für ein demokratisches Miteinander in der Gesellschaft einsetzen

Beim Projekt "Jugend entscheidet" verpflichten sich die Kommunen, eine der von den Jugendlichen ausgearbeiteten Ideen auch wirklich umzusetzen. "Es ist anders als Schule, hier könnt ihr wirklich mitentscheiden", sagt Stolze am Dienstagnachmittag zu den Jugendlichen. Nach der erfolgreichen Bewerbung wurde viel Zeit in die Vorbereitung der Projekttage gesteckt, und die Arbeit ist nicht vorbei. Die Kommunen müssen die Jugendlichen selbst motivieren und mobilisieren, das geschieht in Zusammenarbeit mit den Schulen und beispielsweise dem Jugendzentrum. "Es geht darum, Jugendliche mehr in die Kommunalpolitik einzubinden und ihnen eine Stimme zu geben", so Bautaoui.

Am Ende bleiben zwölf Ideen übrig

Nachdem alle Jugendlichen am Dienstag eingetroffen sind und Getränke verteilt wurden, ergreift Stolze das Wort. Er freue sich sehr darüber, dass so viele junge Leute heute da seien und sich nach der Schule und bei der Hitze noch dazu motivieren konnten. "Heute und morgen geht es darum, dass ihr entscheidet. Egal ob ihr zwölf oder 17 Jahre alt seid, hier könnt ihr eure Wünsche, Ideen und Anregungen einbringen und miteinander diskutieren", so Stolze gleich zu Beginn. Anwesend sind neben Vertretern der Hertie-Stiftung auch Teilnehmer von "Politik zum Anfassen", einem Verein aus Hannover, welcher Kindern und Jugendlichen Politik mit Spaß näherbringen möchte. Zudem sitzen im hinteren Bereich des Saals Gemeinderatsmitglieder aus Markt Schwaben, die die zwei Projekttage begleiten und beobachten.

Am Mittwoch stoßen zusätzlich einige Politiker, Lehrer und Personen aus der Verwaltung dazu, um den Jugendlichen bei der Debatte und in der Entscheidungsfindung zu helfen. In Gruppen erhalten die Teilnehmer einen Crashkurs Politik: Was ist Politik, was ist Kommunalpolitik und was dürfen Kommunen überhaupt entscheiden? Daraufhin geht es in den kleinen Gruppen daran, erste Ideen zu sammeln: "Was wollt ihr verändern, was würdet ihr machen, wenn ihr hier die Politiker wärt?", so Natalie Nekolla vom Verein "Politik zum Anfassen". Die Ideen werden gesammelt und am Mittwoch in großem Kreis allen Teilnehmern vorgestellt. Dann wird diskutiert und verhandelt: Was ist plausibel und was ist umsetzbar? Mit Hilfe und Input von Gemeinderatsmitgliedern und Lokalpolitikern werden die Ideen sortiert und im Anschluss konkretisiert.

Die jungen Leute aus Markt Schwaben zeigen sich einfallsreich: Außer der Zipline wünschen sie sich unter anderem eine Verschönerung der Anlage am Badeweiher, einen neuen Kunstrasen am Sportplatz, die Erweiterung des Schwimmbads oder die Erneuerung des Grillplatzes auf der Wittach. Was davon realisiert wird, wird sich im Herbst herausstellen, wenn der Marktgemeinderat sich mit den Ideen der Jugendlichen befasst.

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