Süddeutsche Zeitung

Jubiläum:Mit Vielfalt in die Zukunft

Lesezeit: 3 min

Das Gymnasium in Kirchseeon feiert zehnjähriges Bestehen. Über die Gründung wurde einst lange diskutiert - inzwischen ist das Schulhaus schon wieder zu klein

Von Jonas Wengert, Kirchseeon

"Gut Ding will Weile haben", sagt ein Sprichwort. Tatsächlich war die Gründung des Gymnasiums in Kirchseeon eine recht langwierige Entscheidung. Nach den ersten Planungen im Frühjahr 2003 folgte viel Hin und Her. Es sollte noch fünf weitere Jahre dauern, bis die ersten Kinder das Gymnasium beziehen konnten, welches an diesem Dienstag zehnjähriges Bestehen feiert. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) erinnert sich gut an die anfänglichen Diskussionen. "Es gab ja parteiübergreifend große Fragezeichen, ob es überhaupt ein viertes Gymnasium im Landkreis braucht." Stattdessen sei viel über einen möglichen Ausbau der bestehenden Schulen gesprochen worden. Erst nach und nach habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Neubau die einzige Alternative sei.

"Das ist sicher ein großer Verdienst meines Vorgängers Gottlieb Fauth", so Niedergesäß. Der frühere Landrat hatte sich von Anfang an vehement für eine neue Schule eingesetzt. Nachdem der Kreistag im Mai 2004 den Beschluss gefasst hatte, entbrannten Diskussionen über den Standort. Weitere sechs Monate später bekam Kirchseeon den Vorzug vor Zorneding. Für Niedergesäß die richtige Entscheidung, um "den Süden des Landkreises mit dem Grafinger Gymnasium zu entlasten".

Seit drei Jahren ist Simone Voit Rektorin am "Gymki", wie die Schule inzwischen liebevoll genannt wird. In dieser kurzen Zeit sei die Entstehung des Wandgemälde in der Schulaula ein persönliches Highlight gewesen. In Kooperation mit dem Graffiti-Künstler Rafael Gerlach hatte ein P-Seminar das so genannte Mural auf den Weg gebracht. "Das Kunstwerk ist ein Kernstück unserer Schule", sagt Voit, "man geht jeden Tag daran vorbei und es gibt der Aula einen besonderen Charme." Man sei über den lokalen Bezug an den international renommierten Sprayer heran gekommen, Gerlach verbrachte seine Kindheit in Kirchseeon. Sie sei, so die Rektorin, vom "langen Kampf" der Schüler um Genehmigungen und Gutachten beeindruckt gewesen.

Aufgrund der bereits bestehenden Streicherklasse und der allgemein hohen musikalischen Kompetenz hatte die Schule zwischenzeitlich angestrebt, neben einem sprachlichen sowie einem naturwissenschaftlich-technologischen auch einen musischen Zweig in das Angebot aufzunehmen. Zwar wurde dem Antrag letzten Endes nicht stattgegeben, dafür fördert man in Kirchseeon nun Initiativen aus unterschiedlichsten Themenfeldern umso stärker. "Unser Weg ist die Vielfalt", fasst Leiterin Voit zusammen. Dabei seien insbesondere Sozialprojekte "eine Säule der Schule", betont Lehrerin Margarete Barthelmes. So bestünden seit Jahren Patenschaften für Kinder in ärmeren Ländern wie Bangladesch, Mali oder Kenia. Aber nicht nur in der weiten Welt engagieren sich Lehrer- und Schülerschaft. "Unsere Partnerklasse von der Korbinianschule aus Steinhöring ist vier Tage die Woche hier auf dem Campus", erzählt Barthelmes. Für ein inklusives Miteinander zwischen Gymnasium und Förderschule sei ein pädagogisches Konzept entwickelt worden, was zu gemeinsamen Theaterstücken und Ausflügen ins Schullandheim führte.

Besonders stolz ist man in Kirchseeon auf das offizielle Label "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Zwischenzeitlich waren in der Turnhalle des Gymnasiums Flüchtlinge untergebracht worden. Sich in diesem Moment zu engagieren und Kontakt aufzunehmen, sei für die Jugendlichen selbstverständlich gewesen, berichtet Barthelmes. Schülersprecherin Emily Hoog arbeitete selbst im entsprechenden Arbeitskreis mit: "Es hat Spaß gemacht, den Flüchtlingen beim Deutschlernen zu helfen", sagt sie. Allgemein sei die Atmosphäre am "Gymki" besonders. Es gebe eine starke Gemeinschaft zwischen Lehrern und Schülern. Auch Lehrer Stefan Mühlfenzl spricht von einem ganz besonderen "Spirit" am Gymnasium. Dieser sei sowohl von einem starken Gefühl der Zusammengehörigkeit, als auch von dynamischem und visionärem Denken geprägt. Mühlfenzl ist Teil der Schulleitung und vom ersten Tag an dabei: "Die Chance, eine Schule mit aufbauen zu dürfen, war beruflich sicherlich eine sehr reizvolle Aufgabe." Um das Gymnasium habe es zu Beginn einen regelrechten Hype gegeben.

Mit knapp 400 Schülerinnen und Schülern von der fünften bis zu siebten Jahrgangsstufe ging es 2008 los. Mittlerweile besuchen knapp 1 100 Kinder und Jugendliche die Schule. Sowohl was die Klassenzimmer als auch die Verwaltungsräume angehe, sei man platztechnisch aktuell an der Grenze, so Voit. Die Schule wurde als reine G8-Bildungseinrichtung konzipiert und gebaut. Durch die beschlossene Rückkehr zur neunjährigen Abiturausbildung muss vom Schuljahr 2025/2026 an eine zusätzliche Jahrgangsstufe im Gebäude untergebracht werden. "Wir brauchen definitiv einen Anbau", sagt Voit. Tatsächlich wird das Gymnasium im 160 Millionen Euro schweren "Masterplan Schulen" des Landkreises aufgeführt. Eine Erweiterung in Kirchseeon sei in den nächsten Jahren ganz objektiv nötig, befindet auch Landrat Niedergesäß und fügt hinzu: "Bis zur Wiedereinführung des G9 muss das fertig sein."

Neben den baulichen Veränderungen sei es auch wichtig, die Digitalisierung voranzutreiben, so Voit. Im Zuge dessen müssen pädagogische Konzepte erarbeitet und die Voraussetzungen an Hard- und Software geschaffen werden. Voit betont die Vitalität und das breit gefächerte Angebot an ihrer Schule. "Was hier in den vergangen zehn Jahren entstanden ist, ist Auftrag und Verpflichtung für die Zukunft."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4217655
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.