Süddeutsche Zeitung

Festival in Ebersberg:Kaleidoskop der Stile und Formate

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Der Countdown läuft: "EBE-Jazz" startet am Samstag, 12. Oktober. Geboten sind Stars wie Randy Brecker, Joey DeFrancesco, Andrea Motis, Pee Wee Ellis und allerhand mehr

Von Anja Blum

Wir brauchen uns vor Burghausen nicht zu verstecken", sagt Frank Haschler, Sprecher der Ebersberger IG Jazz und grinst. Zwar sei das renommierte Festival in der Herzogstadt um einiges größer, doch was die Stars angehe, da könne Ebersberg durchaus mithalten. Bereits zum dritten Mal geht EBE-Jazz heuer über die Bühne - und bei den Organisatoren ist mit dem Erfolg offenbar auch das Selbstbewusstsein gewachsen.

Völlig zu Recht, muss man sagen, denn wer sich das Programm von 2019 ansieht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: Was diese IG, die ehrenamtlich arbeitet, hier auf die Beine stellt, ist einfach beachtlich. Wieder ist es gelungen, internationale Größen wie Joey DeFrancesco, Randy Brecker mit Dave Liebman, Marc Copland und Joey Baron, Pee Wee Ellis, Paulo Morello oder John Marshall in den Landkreis zu holen. Und nicht nur das: Um die Stars herum schillert ein höchst abwechslungsreiches Jazz-Kaleidoskop diverser Formate. Vom Kindermusical über Sakrales und Ausstellungen bis hin zu Comedy - hier ist garantiert für jeden etwas dabei. Schließlich ist es Ziel der Veranstalter, nicht nur eingefleischte Jazzfans anzusprechen, sondern Musikliebhaber aller Couleur.

Allein schon der Eröffnungstag am Samstag, 12. Oktober, wartet mit vier Veranstaltungen auf - es wird gespielt von früh bis spät. Los geht's in Ebersberg mit einem Workshop für Jazzgitarre, geleitet von Andreas Dombert. Den Regensburger, der schon mit vielen Weltstars auf der Bühne stand, kann man bei EBE-Jazz 19 öfter erleben: Der Gitarrist ist heuer Artist in Residence und wird als solcher auch für seine neue Leidenschaft, die Minimal Music, zu begeistern suchen. In Grafing startet der 12. Oktober mit einem Frühschoppen der jüngsten Jazzer des Landkreises: Josef Ametsbichler spielt mit seinem Youngsters Music Club im Glashaus auf.

Ganz offiziell aber öffnet sich der Vorhang erst am Abend, um 19 Uhr in der Grafinger Stadthalle. Auf der Bühne steht da die viel gepriesene Jazzmusikerin Andrea Motis (Trompete, Gesang) mit ihrem Quintett, zu dem auch ihr langjähriger Lehrer und Förderer, Bassist Joan Chamorro, gehört. Ebenfalls erwartet wird der US-amerikanische Saxofonist Scott Hamilton, der die junge Spanierin bereits seit einigen Jahren musikalisch begleitet. Der poetische Titel des Konzerts und der neuen Motis-CD, die dem brasilianischen Liedgut gewidmet ist: "Do Outro Lado Do Azul" - jenseits von Blau.

Doch damit noch nicht genug: Jeder, der eine Eintrittskarte für den Eröffnungsabend hat, ist nach Motis/Hamilton noch zu einer Jazz-Party in der Turmstube der Stadthalle eingeladen. Dort spielen, ab etwa 22 Uhr, zwei mongolische Ensembles aus der Talentschmiede des künstlerischen Festivalleiters, Bassist Martin Zenker: der Jazz Train und die Enji Sisters.

Doch wer nun richtig Lust bekommen hat auf Jazz, muss sich nicht einmal bis zum 12. Oktober gedulden, es gibt schon vorab drei Termine, um in Stimmung zu kommen: Am Mittwoch, 9. Oktober, heißt es "Jazz goes Cinema". Gezeigt wird, pünktlich zum 80. Geburtstag des legendären Labels, der Dokumentarfilm "It Must Schwing! - The Blue Note Story". Er kombiniert begeisternde Musikaufnahmen, exklusive Interviews und erstmals gezeigtes Archivmaterial mit eindringlichen Animationssequenzen. Ebenfalls Jazzgeschichte, nun aber die lokale, steht gleich am Donnerstag, 10. Oktober, auf dem Programm. Bassist Josef Ametsbichler und Fotograf Hermann Will blicken mit einer Ausstellung im Museum der Stadt Grafing auf 45 Jahre Jazz im Landkreis zurück. Dabei wird auch der erst kürzlich uraufgeführte Film "Günther Klatt - Maler und Musiker" gezeigt. Er hatte in den 70ern/80ern die hiesige Szene mitgeprägt. Die Vernissage beginnt um 19.30 Uhr. Fotografie und Jazz - diese beiden Künste vereint zudem eine weitere Schau, und zwar im Studio an der Rampe des Kunstvereins. Hier sind künstlerisch herausragende "Coverfotos für ECM" zu sehen, geschaffen von Thomas Wunsch für das berühmte Münchner Label, das derzeit 50. Geburtstag feiert.

Alle Sessions, Workshops oder Performances des Festivals hier aufzulisten, würde wohl den Rahmen sprengen, doch auf die Highlights sei freilich hingewiesen. Gleich am Sonntag, 13. Oktober, geht es in der Stadthalle weiter mit einem "Traditional Jazz & Swing Dance" - Frühschoppen einmal anders! Statt Dixieland und Weißwurst gibt es diesmal die amerikanische Variante mit traditionellem Jazz und Swing der Dreißiger- und Vierzigerjahre, dazu ein verführerisches Brunchbuffet. Es spielt The Big Swing Party mit dem im Landkreis lebenden Heinz Dauhrer an der Solotrompete. Für das Auge bieten die Isar Hoppers aus München eine mitreißende Show, und wer mag, darf sein eigenes tänzerisches Geschick unter Beweis stellen.

Nicht minder spannend klingt eine musikalische Lesung "The Chet Baker Story" am Montag, 14. Oktober, in der Stadtbücherei Grafing: Der Kulturjournalist, Autor und Rundfunkmoderator Marcus A. Woelfle und ein Trio um den New Yorker Trompeter John Marshall werden den bewegten und bewegenden Lebensweg des Ausnahmemusikers nachzeichnen.

Eine weitere unkonventionelle Symbiose erwartet das Publikum am Mittwoch, 16. Oktober: Jazz und Kabarett. Unter dem Titel "Musikhysterie und Wlancholie" werden Piet Klocke und die Saxofonistin Nicole Johänntgen im Alten Speicher ein ganz neues Programm präsentieren - "eine großartige Kombination aus total verpeilter Leichtfüßigkeit und viel Musik", heißt es in der Ankündigung.

Ebenfalls wieder zu erleben sind drei fantastische Doppelkonzerte. Der Donnerstag, 17. Oktober, bietet zunächst dem Nachwuchs eine Plattform, nämlich dem Gitarristen Christian Bekmulin und dem Pianisten Valentin Findling. Die beiden erhielten als Duo den Förderpreis des Bayerischen Jazzverbands 2019 - und mit zur Belohnung gehört der Auftritt in Ebersberg. Zu hören gibt es hochenergetischen Jazz - präsentiert in der wohl sensibelsten Form der musikalischen Kommunikation. Und gleich danach geht die Post ab - mit The Pee Wee Ellis Funk Assembly. Muss man mehr sagen?

Der zweite Doppelkeks bietet zunächst ebenfalls Hausgemachtes, im Lands-Jazz-Ensemble versammelt sich die Crème de la Crème bayerischer Musiker. Die zweite Schicht verheißt dann internationalen Hochgenuss: Joey DeFrancesco - Sänger, Trompeter, Komponist und vor allem Hammond-Experte - stellt mit seinem Trio, zu dem der dem hiesigen Publikum bereits bekannte Drummer Billy Hart gehört, sein Konzeptalbum "In The Key Of The Universe" vor. Einfach galaktisch!

Am Samstag, 19. Oktober, präsentiert zunächst Paulo Morellos Brazil-Quartett sein neues Album "Sambop". Dieser Name ist Programm, denn hier verschmelzen Rhythmus der brasilianischen Musik und eine Kernstilistik des modernen Jazz zu etwas ganz n euem Ganzen. Im zweiten Teil des Abends erlebt das Publikum dann eine All-Star-Formation, die der näheren Vorstellung wohl kaum bedarf. Sämtliche Mitglieder dieses ungewöhnlichen Quintetts sind seit Jahrzehnten stilprägende Größen im Jazz: Bandleader und Trompeter Randy Brecker schart hier Dave Liebman, Marc Copland, Drew Gress und Joey Baron um sich.

Zum Abschluss am Sonntag, 20 Oktober, gibt es schließlich noch zwei ganz besondere Veranstaltungen: "Jazz for Kids" lautet das Motto um 15 Uhr im Alten Kino, denn da singt, spielt und erzählt das Panama Ensemble davon, dass "Liebe manchmal Käse ist". Im Gepäck haben die Pecorinos, eine Mäuseband, eine umwerfende Mischung aus souligen Balladen und flotten Arrangements von Komponist Franz-David Baumann und Texter Henk Flemming, lauter Ohrwürmer zwischen Pop, Jazz, Bossa Nova und Musette.

In himmlischen Sphären hingegen bewegt sich das Konzert um 17 Uhr in Sankt Ägidius Grafing, denn da bringen die besten Landkreismusiker unter der Leitung von Josef Ametsbichler (Big Band) und Martin Danes (Chor) ein außergewöhnliches Werk auf die Bühne: das zweite "Sacred Concert", 1967 von Duke Ellington komponiert und wenig später in New York uraufgeführt. Es vereint weltliche Musik und sakrale Inhalte - und verspricht, ein ganz besonderes Erlebnis zu werden.

EBE-Jazz von 9. bis 20. Oktober, alle Infos und Karten gibt es online unter www.ebe-jazz.de oder www.kultur-in-ebersberg.de, telefonisch unter (08092)255 92 05 sowie persönlich in der Vorverkaufsstelle im Foyer des Alten Speichers in Ebersberg. Ab drei zeitgleich bezahlten Veranstaltungen gibt es zehn Prozent Rabatt, ab fünf Veranstaltungen 20 Prozent. Ein Festivalpass, der übertragbar ist und für alle Termine gilt, kostet 130 Euro.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2019
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