Süddeutsche Zeitung

Grafing:Nein Tanke

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Im Grafinger Nordwesten wird es wohl doch keinen neuen Anlauf für eine fünfte Tankstelle im Ort geben. An der Münchner Straße gab es bereits Pläne. Nun zieht der Investor seinen Antrag überraschend zurück

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die neue Grafinger Tankstelle am Ortsausgang der Münchner Straße ist offenbar vom Tisch. Wie Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) am Freitag mitteilte, hat der Investor seinen Antrag für das Vorhaben zwischen der Münchner Straße, dem "Netto"-Markt und der Gustl-Waldau-Straße zurückgezogen. Gegen die dann fünfte Tankstelle in Grafing hatten zuletzt Nachbarn protestiert, es folgte Widerstand aus der Kommunalpolitik. Offenbar mit Wirkung.

Zu den Kritikern zählt Jonathan Schmieg aus der Gustl-Waldau-Straße, er ist direkt betroffen. "Von allen Optionen, die man dort hinbauen könnte, gehört eine Tankstelle für die Anwohner zu den klar unangenehmsten", so der Familienvater. Niemand sei scharf auf Tankstellen-, Shop- und Staubsaugerbetrieb montags bis samstags von sechs bis 22 Uhr, eine 35 Meter-Waschstraße nebst einer Lärmschutzwand von fünf Metern Höhe. Schmiegs Befürchtung: "Sie wird wie ein Magnet wirken und das Verkehrsvolumen in der Gegend extrem erhöhen."

Es folgte die Politik. Als erstes schloss sich die Grafinger FDP dem Anwohnerprotest an. "Der Standort ist mit seiner Nähe zum Wohngebiet einfach ungeeignet", befand deren Bürgermeisterkandidat Claus Eimer. Gleiches gelte auch mit Blick auf den "tankenden Fernverkehr." Der fahre bei einer weiteren Tankstelle in der Münchner Straße zwangsläufig "mitten durch Grafing". Das Problem machte Bürgermeisterkandidat Eimer - wohl nicht zuletzt wahlkampfbedingt - im Grafinger Rathaus aus. "Hier hätten schon längst durch die Stadt proaktive Sondierungsgespräche zu Alternativstandorten erfolgen können", beschwerte er sich. Diese Optionen sollten möglichst an der Ostumfahrung liegen.

Investor ist Manfred Singer, der bereits die Tankstelle in der Rotter Straße betreibt und nun eine zweite anstrebt. Ursprünglich hatte er vor, die Anlage entlang der Ostumfahrung beziehungsweise an der geplanten Grafinger Sportstättenanbindung bauen zu lassen. Beide Pläne waren gescheitert. Der Grund: Entlang der Ostumfahrung gebe es keine städtebaulich verträgliche Optionen, so das Grafinger Bauamt. Zudem seien die für eine Tankstelle nötigen Zufahrten von der Staatsstraße aus rechtlicher Sicht nicht durchsetzbar. Ähnlich das Ergebnis der Prüfung eines Standort in der Nähe der Sportstättenanbindung, eine Straße, die von der Ostumfahrung abzweigt. Denn diese darf laut freistaatlichem Straßen- und Wegegesetz nicht gleichzeitig als Anbindung einer Tankstelle fungieren.

Diese beiden Absagen waren der Grund, warum Singer zuletzt die Planungen an der Münchner Straße vorantrieb. Baurechtlich betrachtet waren sie für das Areal nicht abwegig. Tankstellengewerbe entspricht grundsätzlich dem für die Gegend gültigen Flächennutzungsplan.

Anwohner Mark Seti betont, dass es beim Widerstand der Nachbarn nicht um die pauschale Ablehnung von Gewerbe gehe. "Jedem war und ist klar, dass die grüne Wiese dort nicht immer grüne Wiese bleiben wird." Aber warum ausgerechnet eine Tankstelle? "An Wohnbebauung, Büros oder vielleicht einem Ärztehaus würde sich niemand stören." Ob Singer nun statt der Tankstelle eben solche Pläne anstrebt, war am Freitag nicht mehr zu erfahren.

Zuletzt waren die Anwohner längst nicht mehr die einzigen, die an den Tankstellenplänen Kritik übten. "Tanken sind von gestern", sagte die Grafinger "Fridays for Future"-Aktivistin und Schülersprecherin am Max-Mannheimer-Gymnasium, Toni Thewalt. Die absehbare Zukunft gehöre der Elektromobilität und der dezentralen Energieerzeugung. Also Photovoltaikanlagen auf den Dächern und Steckdosen vor den Haustüren, die elektrisch angetriebene Fahrzeuge aufladen.

Lukas Müller von der Grafinger SPD stellte neben dem Aspekt Klimapolitik die Notwendigkeit der Tankstelle grundsätzlich in Frage: "Ich frage mich, warum ein Ort von 14 000 Einwohnern fünf Tankstellen braucht?" Die Pläne hätten mit der immer wieder genannten städtischen Daseinsvorsorge nichts gemein. "Es ging einfach nur darum, dass jemand am Treibstoffmarkt teilhaben möchte." Das sei legitim - gelte aber eben auch für die Versuche, Singers Pläne zu verhindern. Offenbar waren diese nun erfolgreich.

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SZ vom 22.02.2020
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