Süddeutsche Zeitung

Grafing:Auf dem Gottesacker

Lesezeit: 2 min

Der Historiker Stefan Trinkl untersucht die Geschichte der Dorfpfarrer, deren Expertise bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht nur in der Seelsorge, sondern vor allem in der Landwirtschaft gefragt war

interview Von Carolin Fries, Grafing

Nach seinem Geschichtsstudium und der Promotion über das Kloster Fürstenfeld hat Stefan Trinkl, 36, aus Nassenhausen im Landkreis Fürstenfeldbruck altbayerische Dorfpfarrer im 19. Jahrhundert zu seinem privaten Forschungsschwerpunkt gemacht. An diesem Mittwoch referiert er auf Einladung des Historischen Vereins um 19.30 Uhr im Museum der Stadt Grafing und wird dabei besonders die Geschichte der Seelsorger im Ebersberger Raum beleuchten.

SZ: Was fasziniert Sie an der Geschichte der Dorfpfarrer?

Stefan Trinkl: Zum einen wurde die Geschichte der Dorfpfarrer in Bayern noch nie flächendeckend untersucht, zum anderen haben die Pfarrer das dörfliche Leben stark geprägt. Lehrer und Pfarrer waren damals oft die einzigen studierten Personen und damit Wissensvermittler. Interessanterweise vor allem auf dem Gebiet der Landwirtschaft, denn der Pfarrer war selber Landwirt, weshalb man noch immer vom Pfarrhof spricht. Er leistete einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft.

Der Seelsorger hat auch das Feld bestellt?

Ja, und im besten Falle Bücher darüber geschrieben, wie Andreas Scheuerecker aus Anzing einst. Er hat sogar eigens über die Käseherstellung geschrieben. Er hat sein Wissen weitergegeben, aber die Landwirtschaft war auch Teil seines Einkommens - und sollte natürlich eine beispielhafte Musterökonomie sein.

Gab es früher denn mehr Pfarrer als heute, also wirklich noch in jedem Dorf?

Damals gab es noch sogenannte Benefizien, private Stiftungen, mit denen man einen Geistlichen beschäftigt hat. Etliche neue Stellen auf dem Land wurden dann nach der Säkularisation 1802/03 geschaffen. Die Klöster wurden aufgelöst und die Priestermönche als Pfarrer angestellt, da kann man durchaus von einem Pfarrerüberschuss sprechen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in der Erzdiözese München-Freising einige Jahre, in denen bis zu 60 Priesterweihen stattfanden. Erst in der zweiten Hälfte nimmt die Zahl dann wieder ab.

Hatte das Kloster in Ebersberg Auswirkungen auf die Zahl der Pfarrer?

Im 19. Jahrhundert nicht, da war es schon längst aufgelöst.

Gab es Besonderheiten im Ebersberger Raum?

Oh ja. Die Pfarrer waren ja auch als Schriftsteller tätig und in Ebersberg lebte der Volksschriftsteller Josef Hueber. Er hat den landwirtschaftlichen Roman "Isidor, Bauer in Ried" verfasst, der unglaublich populär war und in der 10. Auflage erschienen ist. Man kann sagen, Hueber war der Ludwig Thoma der napolionischen Zeit.

Sie werden auch von Erfindern und Hellsehern erzählen...

Auch diese Funktionen hatten die Pfarrer. In Ebersberg habe ich da aber keinen Fall entdeckt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2690549
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.10.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.