Süddeutsche Zeitung

Gemeinderatsvotum:Die Macht der Zwerge

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Vaterstetten schließt sich Kritik am geplanten Bahnausbau an

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Großgemeinde will besseren Lärmschutz an der Bahnstrecke. Auf Antrag von SPD und FDP beschloss nun der Gemeinderat, eine entsprechende Forderung an die Deutsche Bahn zu stellen. Hintergrund ist der Bau des Brenner-Basistunnels. Zwar ist bis heute nicht klar, wo der nördliche Zulauf zu dem voraussichtlich in acht oder neun Jahren fertiggestellten Tunnel verlaufen soll. Eine Möglichkeit wäre allerdings die Strecke München-Rosenheim, also auch mitten durch Vaterstetten. Statt derzeit etwa 200 Züge pro Tag könnten dann bis zu doppelt so viele fahren, besonders der Güterverkehr könnte überproportional zunehmen.

Diese Befürchtung gibt es in vielen Kommunen entlang der Bahnlinie, und dies sei auch ein Grund für den Antrag gewesen, erklärte Renate Will (FDP). "Wir wollen uns solidarisch zeigen mit den Nachbargemeinden, die schon mit dem Thema in ihren Gemeinderäten waren oder Bürgerinitiativen gegründet haben." Grund für den Protest ist vielerorts, dass die Bahn, wenn überhaupt, nur sehr wenige zusätzliche Schallschutzmaßnahmen anbietet. Dies kritisieren auch die Antragsteller. Schon heute lägen die Lärmwerte höher als eigentlich zulässig, so Will, weil sich die Bahn auf den Bestandsschutz berufen könne. Und dies wohl auch tun werde, wenn auf der Strecke einmal doppelt so viel Verkehr sei, befürchtet Sepp Mittermeier (SPD). Weshalb die zentrale Forderung an die Bahn lautet, die Strecke, sollte sie zum Brennerzulauf werden, wie eine Neubaustrecke zu behandeln.

Daher solle die Gemeinde bei der Bahn auch ausdrücklich gegen die vom Schienenkonzern geplanten Schallschutzmaßnahmen an der Strecke protestieren. Geplant sind vor allem Schienenstegdämpfer. Diese sollen die durch das Befahren entstehenden Schwingungen verringern und so den Lärmpegel senken. Was aber nach Meinung der Antragsteller "sehr unzulänglich" ist, angesichts des "erheblichen zusätzlichen Bahnlärms", sollte es zu einer Taktverdichtung auf der Strecke kommen. In diesem Zusammenhang kritisierte Mittermeier Bahn und Bund auch für ihre Informationspolitik. Bis heute sei nicht klar, ob es eine weitere Entlastungsstrecke, etwa über Mühldorf, geben werde, oder ob in zehn Jahren der gesamte zusätzliche Bahnverkehr durch Vaterstetten fahren werde. Was zumindest nicht auszuschließen sei, so Mittermeier. "Wir müssen uns auf deutlich mehr Güterzugverkehr einstellen", und darum zeitnah von der Bahn mehr Lärmschutz fordern.

Dies könne man schon tun, aber es werde kaum Erfolg haben, gab Herbert Uhl (FW) zu bedenken. Er erinnerte an eine Infoveranstaltung zum Thema Bahnlärm im vorvergangenen März in Vaterstetten. Damals hätten Vertreter der Bahn sehr klar gemacht, dass es bestimmte Vorgaben gebe für Lärmschutz. "Davon wird die Bahn nicht abweichen, da hilft auch so ein Zwergerlaufstand nicht." Maria Wirnitzer (SPD) verwehrte sich gegen den Ausdruck: "Es ist doch kein Zwergenaufstand, wenn von München bis Rosenheim protestiert wird." Insgesamt lebten in den Gemeinden entlang der Strecke Hunderttausende Menschen, so Axel Weingärtner (Grüne) "und die wählen alle irgendwann". Auch Wolfgang Schermann wollte die Skepsis seines Fraktionskollegen Uhl nicht ganz teilen. Zwar könne natürlich niemand sagen, ob die Protestnote zum Erfolg führe, "aber es kann ja nicht schaden, es zu probieren". Der Meinung war am Schluss sogar Uhl selbst, ohne Gegenstimmen wurde der Antrag beschlossen.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2018
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