Süddeutsche Zeitung

Gemeinderat:In Vaterstetten gehen künftig Freiwillige auf Streife

Lesezeit: 2 min

Einen entsprechenden Beschluss hat nun der Gemeinderat gefasst. Eine Bürgerwehr sei dies ausdrücklich nicht, betont die Polizei.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Großgemeinde folgt dem Vorbild der Nachbarn in Poing und führt eine Sicherheitswacht ein. Mit großer Mehrheit wurde dies nun vom Gemeinderat beschlossen. Zuvor hatte der Chef der Poinger Polizeiinspektion, Helmut Hintereder, vorgestellt, was eine Sicherheitswacht ist und was nicht - und warum man sie in Vaterstetten streng genommen nicht bräuchte.

Denn die Gemeinde ist alles andere als ein Kriminalitätsschwerpunkt. Für 2019 listet die Statistik 3534 Straftaten pro 100 000 Einwohner auf. Das sind noch einmal 362 weniger als im ohnehin schon sicheren Oberbayern das 710 weniger Straftaten pro 100 000 Einwohner verzeichnet als der Freistaat insgesamt. Zum Vergleich: In Berlin liegt der Wert bei 14 086 Straftaten pro 100 000 Einwohner. Zwar ist in Vaterstetten für das vergangene Jahr ein Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen, laut Hintereder handelt es sich dabei aber vor allem um Betrügereien und Benzindiebstähle an der Autobahnraststätte.

Was zu verhindern eher nicht in den Aufgabenbereich der Sicherheitswacht fällt. Diese ist laut Hintereder "keine Bürgerwehr und keine Hilfspolizei". Das wichtigste Instrument der Freiwilligen sei das Polizeifunkgerät, "sie sollen bei uns Bescheid sagen, bevor sie etwas machen", so Hintereder auf Nachfrage vom Dritten Bürgermeister Roland Meier (FW). Der hatte wissen wollen, wie die Sicherheitswachtler ausgerüstet werden, ob sie etwa Body-Cams erhalten, um Angreifer abzuschrecken. Kameras gebe es nicht, erklärte Hintereder, aber eine Uniform, das Funkgerät und für den Notfall Reizgasspray. Gefährliche Einsätze sollten die Ehrenamtlichen aber grundsätzlich der Polizei überlassen.

Wer bei der Sicherheitswacht auf Streife gehen will, muss zuvor eine Schulung bei der zuständigen Polizeiinspektion absolvieren. Dabei werde auch die generelle Eignung überprüft, so Hintereder auf die Frage von David Göhler (Grüne), ob sich für die Aufgabe nicht oft Leute meldeten, "die den Macker raushängen lassen wollen". Genau solches Verhalten solle man eben vermeiden, sagte Hintereder, dies werde in der Schulung auch vermittelt: "Nicht körperlich eingreifen, sondern Konflikte entschärfen."

In Poing beispielsweise hat die Sicherheitswacht überwiegend mit Identitätsfeststellungen und Platzverweisen zu tun, Schwerpunkt sind Grünanlagen und das Parkhaus, Klientel seien oft Jugendliche, die sich dort zum Biertrinken träfen. Genau wie in Vaterstetten, so Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU). Erst am Tag der Sitzung hätten sich wieder Anwohner bei der Gemeinde über Ruhestörung durch Jugendliche am Vaterstettener Parkhaus beschwert. "Der Jugendliche ist ja oft schon durch seine Anwesenheit schuldig", meinte dagegen Cordula Koch (SPD), gerade in Vaterstetten, wo es weder ein Jugendzentrum noch andere Einrichtungen gebe: "Dann sind sie halt im Freien", und das sorge für Konflikte. Koch forderte, dass die Sicherheitswacht mit der Jugendpflege eng zusammenarbeiten solle. Dies tue man im Ordnungsamt bereits, sagte dessen Leiter Andreas Ruoff. Bei Beschwerden über Jugendliche habe man immer bei der Jugendpflegerin nachgefragt, ob sie die Betreffenden kenne und auf sie einwirken könne. Und genau dies soll auch die Sicherheitswacht tun, so Hintereder, denn diese habe im Gegensatz zur Polizei keine Pflicht, Verfehlungen anzuzeigen, wenn etwa jemand verbotenerweise im Parkhaus Bier trinkt, könne man den einfach wegschicken.

Wozu man dann überhaupt eine Sicherheitswacht brauche, wollte Felix Edelmann (Grüne) wissen. Schließlich täte die nichts anderes, als er es von allen Bürgern mit Zivilcourage ohnehin erwarte. "Die Zivilcourage ist nicht immer so ausgeprägt, dass Bürger einschreiten", gab CSU-Fraktionschef Michael Niebler zu bedenken, das sehe man doch auch immer bei Aktenzeichen XY. "Das eine schließt das andere nicht aus", sagte Renate Will (FDP), zumal nicht alle Bürger bereit seien, sich einzumischen und sich dafür eventuell anpöbeln zu lassen. Was ihr auch gelegentlich passiere, wenn sie auf Fehlverhalten hinweise, etwa an den Wertstoffinseln.

Gegen zwei Stimmen, die von Edelmann und seiner Fraktionskollegin Katrin Pumm, wurde die Einrichtung einer Sicherheitswacht beschlossen. Man werde zunächst vier oder fünf Stellen beantragen, so Hintereder - die acht Euro Aufwandspauschale pro Stunde zahlt übrigens der Freistaat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4977637
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.07.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.