Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Florian Engel schießt den EHC Klostersee zum Pokal

Im entscheidenden dritten Finalspiel liegt der EHC gegen Miesbach zurück. Dann dreht ein Klosterseer auf. Die Nacht von Grafing in Bildern.

Von Peter Hinz-Rosin (Fotos) und Korbinian Eisenberger (Text)

Der EHC Klostersee ist Bayerischer Eishockey-Meister 2022. Am Dienstag gelingt den Grafingern der entscheidende Sieg zum Bayern-Pokal. Über einen Abend mit vier Engels-Buden - oder wie man in Ebersberg sagt: Christkindlmarkt.

Der Weg dorthin war eisig bis steinig. Wie bereits in Spiel eins in Grafing gegen TEV Miesbach (weiße Trikots) liegen die Grafinger auch diesmal zurück.

TEV-Verteidiger Andreas Nowak gelingt in der siebten Minute das 1:0 für die Gäste. Die Führung der Gäste hält lange bis ins zweite Drittel. Es sieht so aus, als würden die Grafinger erneut vor heimischen Publikum verlieren. Dann wär der Traum ausgeträumt.

Fans der Klosterseer hatten offenbar eine Vorahunung, dass sie an diesem Abend womöglich gebraucht werden. Die Grafinger "Scheune" war mit fast 1600 Zuschauern so gut besetzt wie lange nicht. Wenige von ihnen waren auffällig leise.

In der 31. Minute brennt in Grafing die Hütte, wie man so schön sagt. Auf Vorlage von Bob Wren trifft ein 32 Jahre alter Mathelehrer namens Florian Engel zum 1:1. Engel? Eher ein Schutzengel.

Mit diesem Unentschieden geht es ins letzte Spieldrittel dieser langen Saison. Nach 42 2/3 Spielen entscheiden nun 20 finale Minuten über den Pokal. Miesbach kämpft. Klostersee kämpft mit.

Und wird belohnt: Zwölf Minuten vor dem Ende trifft Florian Engel zum zweiten Mal, diesmal auf Vorlage von Lynnden Pastachak. 2:1. Grafing führt...

... und die Scheune bebt. Die Fans erzeugen eine Geräuschkulisse, die im Stadtbereich Grafings bis in die Wohn- oder Schlafzimmer zu hören ist, je nachdem.

Folgende Szene in der 53. Spielminute trägt nicht gerade dazu bei, dass die Fans in Stillschweigen verfallen: Wie beim 1:1 legt Bob Wren auf, wieder trifft Florian Engel, wer auch sonst. 3:1. Die Entscheidung?

Ja und nein, denn mit dem Ergebnis ist Florian Engel noch nicht restlos einverstanden. Vier Sekunden vor Schluss, nun legt wieder Pastachak auf, haut Engel den Puck abermals ins Netz. 4:1. Engel ist viermaliger Torschütze. Schutzengel? Eher Schützengel. Der 32-Jährige unterrichtet Mathematik an der Realschule Ebersberg - aber damit hatte wohl nicht mal er gerechnet.

Und dann ist Schluss. Helme, Schläger und andere Zutaten des Eishockeysports sind am Boden. Die Grafinger Spieler nicht.

Trainer Dominik Quinlan hat einst selbst für diesen Klub gespielt. Inzwischen ist der "Nagelsmann von Nebenan" einer der jüngsten Trainer der Liga und scheint sich mit dieser Rolle durchaus angefreundet zu haben.

Die Rolle des Siegers taugt den rotgewandeten Grafingern allesamt, auch jenen, die nicht rotgewandet sind.

Konfetti auf dem Eis. Der Eismeister des Grafinger Stadions wird es anlässlich des Anlasses verkraften. Schließlich sind sie heute irgendwie alle Eismeister.

Gab es einmal eine erste Mannschaft des EHC Klostersee ohne Bernd Rische? Wahrscheinlich nicht. Der 40 Jährige empfängt den Bayern-Pokal.

Er kann ihn aber nicht lange behaupten. Jetzt macht die Trophäe die Runde in der "Scheune" - wo draußen weiterhin gut zu hören ist, dass sich drinnen etwas rührt.

Um eine drohende Insolvenz zu verhindern, hatten die Grafinger im Jahr 2016 freiwillig den Gang von der dritten in die unterste Liga angetreten. Nun ist ihnen sportlich die Rückkehr in die Oberliga Süd gelungen. Ob sie diesen Schritt auch gehen, ist laut Verein noch offen. Es bräuchte dafür wohl deutlich mehr Geld als bisher zur Verfügung steht. Die Spieler fokusieren sich erstmal auf den Pokal.

Eine Aufnahme, die Hinweise hinterlässt, dass dieser Abend wohl noch sehr lange gedauert hat.

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