Süddeutsche Zeitung

Mitten in Ebersberg:Spatzigutifeini mag auch der Ticktack

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Während Schreiberlinge sich den Kopf zerbrechen, lösen Kinder es im Handumdrehen: mit neuen Wörtern die Welt zu erklären.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Die Pandemie, so viel steht fest, war nicht nur eine Zeit, in der sich die Viren rasant vermehrt und verbreitet haben, sondern auch die Wortneuschöpfungen. Wer hätte etwa vor Corona gewusst, was ein Mini-Ischgl sein soll, oder was Impfneid ist? Dass mit Schnutenpulli eine Gesichtsmaske gemeint ist? Oder dass Menschen, die den politischen Corona-Vorgaben folgen, Schlafschafe, und die anderen Leerdenker sind?

Der Kreativität sind in der Sprache keine Grenzen gesetzt. Doch während die schreibende Zunft sich tagtäglich händeringend darum bemüht, möglichst treffgenau und in anschaulichen Begriffen die Welt zu sortieren, kostet es die Kleinen keine Mühe, die Sprache für ihre eigenen Zwecke spielerisch zu verbinden und zu verbiegen. So bekommt man auf den Ausruf "Jetzt sei doch mal nicht so eine Nervensäge!" auch mal die Antwort: "Ich bin keine Säge. Ich bin ein Nervenbohrer."

Damit sich der Essensplan der Alliteration anpasst, werden die Tortellini am Donnerstag schon mal zu Dortellinis umgetauft, Nudeln heißen per se, damit auch der Kleinste sie bei Bedarf von Papa oder Mama ordern kann, Nona. Aus demselben Grund wird auch längst nicht mehr auf den Spielplatz, sondern nur noch auf den Blipblap gegangen. Und weil eine Zeitlang auch Kinderwitze im Rennen waren, dichteten die Kleinen auch selbst folgendes Scherzchen: "Wie nennt man eine nicht so dünne Meerjungfrau? - Dixe."

Als im Italien-Urlaub eine Gruppe mit Menschen vorbeispaziert, fragt die Sechsjährige: "Warum haben die alle die gleichen T-Shirts an?" Der Papa erklärt, dass das wahrscheinlich eine Reisegruppe sei, die zusammen gehört. Und dass manchmal auch bei Junggesellenabschieden die gleichen T-Shirts getragen würden. Mit Blick auf das Alter der Reisegruppe mutmaßt die Tochter: "Oder bei Altgesellenabschieden."

Übrigens bieten auch die Großeltern immer wieder schöne Möglichkeiten für Neologismen an. Spaghetti Bolognese à la Oma? Nee, die heißen doch Spatzigutifeini. Weil der Opa immer eine Uhr am Armgelenk trägt, wird er nur noch Ticktack genannt. Und auch des Opas Bauch wird nicht ausgespart, wenn es um fantasievolle Bezeichnungen geht. Weil der so schön federt, wurde er kürzlich von der dreijährigen Cousine umgetauft. Er heißt jetzt Wampolin.

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