Süddeutsche Zeitung

Beim Kunstverein:Applaus zum Finale

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Das Arkadien-Festival in Ebersberg endet mit einer Verleihung: Der Kunstpreis der Stadt geht an Rasso Rottenfußer aus Grafing sowie an Andy Webster und Derek Tyman aus England.

Von Anja Blum, Ebersberg

Natürlich gab es wieder Irritationen. Und entsprechende Beschwerden im Rathaus, erzählt Ebersbergs Bürgermeister Uli Proske und lacht. Was denn das solle, dass da ein Leichenwagen im Klosterbauhof stehe? Und mitten im Wald ein Flugzeugrumpf? Und am Volksfestplatz ein Eisberg? Der Verwaltungschef indes stört sich nicht an den Auswirkungen von "Arkadien # 3", dem Festival des Ebersberger Kunstvereins. Ganz im Gegenteil. Auch die dritte Ausgabe sei sehr inspirierend und erheiternd gewesen, sagt er beim finalen Akt am Sonntagmittag vor der Alten Brennerei. "Und einen anderen Blick einzunehmen, das schadet manchmal gar nicht."

Ein kleiner, fröhlicher Haufen ist da zusammengekommen, um das Festival in Ebersberg mit einer Verleihung krönend abzuschließen. Eine Jury des Kunstvereins - bestehend aus Andreas Mitterer, Hubert Maier, Verena Ditterich, Luci Ott und Tassilo Sussmann - hatte die schwere Aufgabe, unter allen Beteiligten am Festival einen geeigneten Kandidaten für den Kunstpreis der Stadt auszuwählen. "Wir haben wirklich lange überlegt und beraten", erzählt Vereinschef Mitterer - doch letztlich habe man sich nicht zwischen zwei Anwärtern entscheiden können und daher beschlossen, den Preis ausnahmsweise zu splitten: Er geht an Rasso Rottenfußer, der ursprünglich aus Grafing stammt, sowie an ein Duo, an Andy Webster und Derek Tyman aus England.

Letztere hätten die Ebersberger Kulturszene in den vergangenen Jahren mit diversen großartigen Arbeiten bereichert und seien inzwischen zu guten Freunden geworden, so Mitterer. "Besonders erstaunlich ist ihre Fähigkeit, offen zu sein für den Zufall, gerade auch jenen der Kooperation - und trotzdem absolut professionelle Ergebnisse zu liefern." Beispielhaft dafür: die Eröffnung des Festivals mit einer mehrstündigen Performance. "Wir wussten vorher überhaupt nicht, ob und wer da mitmacht, aber plötzlich war die Bude voll mit Schlagzeugern und Instrumenten", erzählt Mitterer. Unter dem Motto "Trommeln in der Nacht" - nach Bertolt Brecht - spielten sie zu einem Soundtrack aus ihnen unbekannten Antikriegs- und antikapitalistischen Liedern. Dazwischen wurden Auszüge aus Manifesten, Tiraden, Gedichte und Liebeserklärungen an egalitäre Ideen vorgetragen.

Aber auch eine dauerhafte Installation hat die Kreisstadt den beiden Engländern zu verdanken: Mitten im Forst steht ihr solarbetriebener "Free Tower", ein Zitat an die Türme früherer Hippiefestivals. Sobald die Dämmerung einsetzt, beginnt das Wort "Free" zu leuchten, hoch über einer Idylle aus Bäumen und Vogelgezwitscher. Sobald jedoch die gespeicherte Sonnenenergie zur Neige geht, erlöscht das Licht, die "Freiheit" verblasst, bis sie sich irgendwann ganz auflöst. So wird diese Installation zur Metapher, die auf das kollabierende Ökosystem anspielen soll - und damit vielleicht auch auf die Unmöglichkeit Arkadiens.

Rasso Rottenfußer wiederum hat sozusagen das Herzstück des Festivals gestaltet: den Platz vor der Galerie des Kunstvereins im Ebersberger Klosterbauhof. Seine mehrteilige Installation an der Fassade vereint praktische, als auch künstlerische Aspekte und oszilliert so zwischen Design, Skulptur, Architekturen und kulturellem Raum. Sie dient einerseits, ist aber auch ein eigenständiges Werk. Rottenfußers Arbeit bietet eine Bar, mehrere Sitzgelegenheiten, Schutz vor Regen, eine Fläche für Projektionen sowie obendrein Platz für ein anderes Kunstprojekt: die kompostierbaren Pflastersteine von Folke Köbberling. "Uns hat auch besonders beeindruckt, wie verspielt und aufwändig diese Installation ist", sagt Mitterer. Oberflächen, Maße, Materialien: Nichts sei hier dem Zufall überlassen. Außerdem habe der Grafinger viele schöne Bezüge zum Ort Ebersberg eingearbeitet.

In kleinen Vitrinen kann man zum Beispiel gläserne Schalen, teils rot bemalt, entdecken sowie Kerzen aus Bienenwachs. Beides weist in Richtung Sankt Sebastian, ein ehemals wichtiger Wallfahrtsort, weil hier die Hirnschale des Kirchenpatrons aufbewahrt wird. So manche andere Details erinnern an den Ebersberger Forst. Eine kleine Scheibe etwa hat Rottenfußer mit einer Landkarte bedruckt, auf der man das kerzengerade Wegenetz im Wald sehen kann. "Auf-geräumt!", sagt er und lacht. Hinter der Karte aber hat er einen Ast installiert, der mit Flechten bewachsen ist. "Ein Paradebeispiel für Symbiose." Mit Humor und Sprachwitz wiederum spielt der Künstler auf die Gruppo di Valtorta an, jene legendäre Ebersberger Kabarett-Truppe, aus deren Schoß später das Alte Kino erwuchs.

Um eine "schöne neue Welt" sollte es gehen bei Arkadien # 3, akute Probleme sollten benannt, Lösungswege skizziert werden. Und das ist geschehen, auf sehr vielfältige Weise, wie nun auch ein kurzer Film dokumentiert. Am Ende gibt es deshalb nicht nur zwei Preise, sondern auch noch einmal viel Applaus für dieses Festival und seine Macher. Völlig zu Recht.

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