Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:Perverse Bastelei

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Ein Rentner fertigt Collagen aus Kinderpornos und Fotos von Mädchen aus seinem Bekanntenkreis an. Nun muss er sich dafür in Ebersberg vor Gericht verantworten. Das Vorgehen des 74-Jährigen macht sogar den Staatsanwalt fassungslos.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Geständig ja, einsichtig aber nur bedingt, so präsentierte sich nun ein Angeklagter am Ebersberger Amtsgericht. Der 74-Jährige hatte mehr als 600 kinderpornografische und knapp 100 jugendpornografische Bilder besessen, was er auch unumwunden zugab. Besonders schuldbewusst schien der Rentner aus dem nördlichen Landkreis indes nicht zu sein: Das ganze sei doch "eine rein private Geschichte", deren Untersuchung viel Schaden angerichtet habe.

Zumindest für das Privatleben des Angeklagten ist das durchaus zutreffend, denn der hatte sich nicht nur im Internet die Kinderpornos besorgt, sondern diese auch in sehr spezieller Form weiterbearbeitet. Als die Polizei die beschlagnahmten Rechner, Festplatten und Smartphones sichtete, fanden sie darauf Collagen aus den Internet-Fotos - die laut Staatsanwaltschaft den Missbrauch auch sehr junger Mädchen zeigen - sowie aus Bildern von Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten. Laut Anklageschrift handelt es sich dabei um die Patentochter des 74-Jährigen und eine ihrer Freundinnen, beide waren damals um die acht Jahre alt.

Dem Staatsanwalt ist so ein Vorgehen noch nie untergekommen

Dieses Vorgehen machte sogar den Staatsanwalt ein Stück fassungslos: "Die Anfertigung derartiger Collagen habe ich noch nie erlebt." Benannt waren die fraglichen Ordner und Dateien mit den Namen der beiden Kinder in Verbindung mit vulgären Ausdrücken für Geschlechtsverkehr. Diese hatte der Rentner zudem mindestens ein Mal gegenüber einem der Mädchen auch persönlich geäußert, zudem sicherten die Ermittler Chat-Nachrichten mit ähnlichem Inhalt.

Ob er das auch als reine Privatsache betrachte, die niemand anderen betreffe, wollte Richterin Frances Karn vom Angeklagten wissen. Der rang sichtlich um Worte, und versicherte schließlich, dies sei ja nur einmal geschehen, da habe er sich "danebenbenommen". Nur um wenig später zu erklären, ohne die Hausdurchsuchung bei ihm und die folgenden Ermittlungen wäre den beiden Mädchen aus seinen Collagen viel Belastendes erspart geblieben.

"Das ist jetzt aber nicht Ihr Ernst?", entfuhr es da der Richterin. Schließlich sei die Ursache für die Ermittlungen eben, dass der Angeklagte sich Kinderpornos besorgt und diese mit Fotos der beiden Mädchen versehen hatte. Deren Familien hatten nach Bekanntwerden dieser Aktionen den Kontakt zum Angeklagten abgebrochen. Der versicherte, sich daran auch gehalten zu haben: "Ich habe akzeptiert, dass ich nicht mehr erwünscht bin." Wegen dieses Kontaktverbotes habe er sich auch bisher nicht bei den Mädchen entschuldigen können, "das würde sie nur weiter belasten".

Für Pornografie interessiere er sich mittlerweile gar nicht mehr, sagt der Angeklagte

Mit dem Thema Kinderpornos im Speziellen und Pornografie im Allgemeinen sei er aber mittlerweile fertig, erklärte der Angeklagte. Eigentlich sei er damit schon durch gewesen, als die Ermittler vor knapp zwei Jahren seine Wohnung durchsuchten. Die nun in der Anklageschrift aufgelisteten Dateien habe er im Übrigen bereits vor etwa 15 Jahren heruntergeladen.

Warum er diese dann überhaupt behalten habe, wollte der Staatsanwalt wissen. So richtig konnte der Rentner das auch nicht erklären, weil noch genügend Speicherplatz auf seinen Rechnern war, seien die fraglichen Dateien wohl einfach immer hin und hergeschoben worden und irgendwie liegengeblieben. Offenbar auch auf einem Medium, auf das eine IT-Firma Zugriff hatte. Denn die Ermittler hatten einen Tipp aus dem Ausland bekommen, dass der Angeklagte kriminelle Inhalte auf seinen Rechnern gespeichert hat.

Letztlich bewahrte den Angeklagten wohl nur die Tatsache, dass die Durchsuchung schon vor der jüngsten Gesetzesverschärfung stattgefunden hatte, vor dem Gefängnis. Am Ende verhängte die Vorsitzende elf Monate auf Bewährung. Zugunsten des nicht vorbestraften Angeklagten wertete die Richterin, dass er selbst keine kinderpornografischen Fotos angefertigt oder weiterverbreitet habe, sowie sein Geständnis, das eine umständliche Beweisaufnahme überflüssig gemacht habe.

Ob der Rentner aber wirklich mit dem Thema Kinderpornos abgeschlossen hat, "da bin ich mir nicht so sicher". So gab es vor gut einem Jahr einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen Unfallflucht - auf dem Parkplatz eines öffentlichen Freibades. Darum wurde dem Verurteilten zur Auflage gemacht, eine entsprechende Therapie zu machen.

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