Süddeutsche Zeitung

Christmette ohne Pfarrer:Dann eben ohne Wandlung

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In Zeiten des Priestermangels geht Straußdorf neue, alte Wege: Statt die Christmette ausfallen zu lassen, feiern die Gläubigen einen Wortgottesdienst ohne Pfarrer - wie die frühen Christen.

Von Michael Haas, Grafing

Eigentlich war alles schon geregelt: An Heiligabend müssen die Straußdorfer in diesem Jahr nach Grafing fahren. So hatte es im Gottesdienstanzeiger gestanden, so hatte es Pfarradministrator Josef Riedl in den Gottesdiensten verkündet. Denn nach dem Weggang des Pfarrvikars gibt es ausgerechnet zu Weihnachten einen Priestermangel im Pfarrverband: Riedl ist der einzige hauptamtliche Priester, parallel leitet er aber auch die Ebersberger Pfarrei. "Man kann sich eben nicht zerreißen", sagt der Straußdorfer Pfarrgemeinderatsvorsitzende Josef Rothmoser.

Einige Tage nach der Ankündigung, dass die Straußdorfer erst am 2. Weihnachtstag einen Gottesdienst in ihrer Kirche würden feiern können, trafen sich die Gläubigen beim traditionellen Weihnachtsmarkt. Größtes Gesprächsthema: der Ausfall der Christmette. Viele waren enttäuscht. Schnell sei klar gewesen, dass man sich etwas überlegen müsse, erzählt Rothmoser: "Nicht lange jammern, sondern selber etwas machen."

Die Idee: "Wir können ja selbst in die Kirche gehen und gemeinsam feiern." Ein Wortgottesdienst: Diese Form der Andacht gewinnt in Zeiten des Priestermangels immer mehr an Bedeutung. Denn die Wort-Gottes-Feiern können auch von ausgebildeten Laien geleitet werden - der Verzicht auf die Eucharistiefeier, bei der dem katholischen Glauben nach Hostien und Wein in Leib und Blut Christi gewandelt werden, macht das möglich.

Stattdessen werden entweder bereits gewandelte Hostien ausgeteilt oder die Kommunion fällt aus. Doch gerade das stört nicht wenige Gläubige. "Nur ein Wortgottesdienst", so laute eine häufige Einstellung, erzählt Gemeindereferentin Maria Ringlstetter.

"Das ist ein Ausbruch aus der Tradition", sagt Riedl, der sich ebenfalls über den Vorschlag der Gläubigen gefreut hat. Mit einem Wortgottesdienst begäben sie sich zurück in die Frühzeit der christlichen Tradition. "Früher war die Christmette sozusagen eine Nachtwache", erzählt Riedl. Erst im Lauf der Jahrhunderte hätte sich das verschoben. Das nächtliche Gebet - die Matutin - und der erste weihnachtliche Gottesdienst verschmolzen, die Christmette entstand.

Urkirchlich betrachtet machten die Straußdorfer also alles richtig, sagt Riedl. Vor einem Jahr wäre das wohl trotzdem noch nicht möglich gewesen. Erst in den vergangenen Monaten freundeten sich die Gläubigen mehr und mehr mit den Wort-Gottes-Feiern an. Seit dem Wechsel von Pfarrer Hermann Schlicker im Sommer werden sie regelmäßig angeboten.

"Die ganzen Wortgottesdienste sind ja letztlich aus einer Mangelsituation heraus entstanden", sagt Rothmoser. Es gebe viele Gläubige, die für Gottesdienste nicht immer nach Grafing fahren könnten. Da sei eine Wort-Gottes-Feier eine gute Alternative. Ringlstetter ergänzt, ein Wortgottesdienst sei ja ebenfalls etwas wert: "Da kann man auch viel gestalten und genauso Weihnachten feiern."

So erwartet die Gläubigen in Straußdorf am Heiligabend wenig anderes als in Grafing. "Im Endeffekt ist alles gleich, nur das Hochgebet und die Wandlung fehlen", sagt Ringlstetter. Die Gemeindereferentin wird die Christmette leiten, Musik macht der Straußdorfer Kirchenchor. Der hatte ursprünglich bei der Christmette in St. Johannes der Täufer spielen sollen, probte nach dem Weggang des Pfarrvikars aber schon für jene in Grafing. Bis die Idee eines Wortgottesdienstes in Straußdorf aufkam, erzählt Ringlstetter: "Da haben sie sofort gesagt: Dann bleiben wir auch da."

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Quelle:
SZ vom 23.12.2014
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