Süddeutsche Zeitung

Brauchtum im Landkreis:Hohenlinden: Das Oster-Denkmal der Gisi Stadler

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Im Landkreis Ebersberg finden sich heuer diverse Heilige Gräber, etwa in Sankt Josef in Hohenlinden. Wie eine Ruheständlerin die Ruhestätte reaktivierte.

Von Michaela Pelz, Hohenlinden

In der Kirche muss man so viel einfach glauben - beim Heiligen Grab kann man die Auferstehung sehen!" Besser könnte man die in den vergangenen Jahren wiedererwachte Faszination der Menschen für das unmittelbare Passionserlebnis nicht auf den Punkt bringen als mit diesen Worten von Michael Wohlmuth. An einem sonnigen Nachmittag braucht man in Sankt Christoph starke Helfer wie ihn.

Denn die 1315 erstmals erwähnte Wallfahrtskirche oberhalb von Steinhöring hat keinen ebenerdigen Stauraum für ihr Heiliges Grab. Darum lagern dessen Bestandteile unterm Dach, in der oberen Sakristei, die man nur über eine schmale Holzstiege erreicht. Von dort muss alles einzeln vorsichtig per Seilwinde heruntergelassen werden.

Ein Aufkleber auf der Rückseite eines der Elemente lässt vermuten, dass das Grab wahrscheinlich Anfang des 20. Jahrhunderts vom damaligen Pfarrer Hermann Fortmüller per Katalog geordert wurde und wohl per Bahn eintraf. Doch nach anfänglich regem Einsatz lag es 50 Jahre lang im Dornröschenschlaf - passenderweise beendet von einem jungen Mann.

Auch in Sankt Josef in Hohenlinden hat die Wiederbelebung der Tradition rund um das Heilige Grab mit einem Mann, viel mehr aber noch mit einer Frau zu tun. "Die Gisi hat sich damit ein Denkmal gesetzt", ist sich lachend die Runde einig, die an diesem Morgen für den Aufbau des Grabes zusammengekommen ist. "Gisi" ist Gisela Stadler, 2020 im Alter von 82 Jahren gestorben. Eine fleißige Kirchgängerin, mehr als 20 Jahre Mitglied im Pfarrgemeinderat.

Zu ihren Lebzeiten hatte Stadler großen Anteil an all dem. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten von Sankt Josef im Jahr 2010 war die resolute Ruheständlerin der Ansicht, dass dort zu Ostern wieder ein Heiliges Grab hingehöre. Allein: An Bauteilen war nichts mehr vorhanden, und der Grablegungs-Christus löste sich auch schon in seine Bestandteile auf. Doch Stadler ließ nicht locker und hatte in mehrfacher Hinsicht Glück. Dank einer früheren Mesner-Dynastie vor Ort - 300 Jahre lang war immer einer von ihnen im Dienst der Kirche - fanden sich noch Fotomaterial und Informationen. Dazu gehört eine Schwarzweiß-Aufnahme vom geschmückten Heiligen Grab aus dem Jahr 1962.

Mit diesem Bild ging Gisi Stadler zu Georg Mitterer. Der Elektriker hatte ursprünglich nur eingewilligt, ein Auge auf die Elektrik der Anlage zu werfen - nun wurde er gebeten, den kompletten Nachbau zu übernehmen. Fertig war die acht Meter auf zwei Meter große Konstruktion nach rund 50 Stunden. Zu Planung und Bauzeit kam die künstlerische Ausgestaltung durch Malermeister Theo Falterer - die Sperrholzteile sollten schließlich die Anmutung von Marmorsäulen haben. Auch die Aussparungen für die 22 Glaskugeln mussten exakt passen.

Leider hat die Zeit auch ihnen zugesetzt. Das macht sich bei einem der ersten Einsätze unschön bemerkbar, wie Hildegard Fröhlich erzählt: "Das Glas war so dünn geworden, dass es mir beim Füllen zersprang und ich von oben bis unten nass wurde!" Zum Umziehen reicht die Zeit nicht mehr, "es hat so pressiert", also verbringt sie die komplette Karfreitagsliturgie "eingebatzt" mit dem bunten Wasser (man nimmt Ostereierfarbe) in der Bank. "Zum Glück war es in der Kirche dunkel."

Als Folge aus dieser Erfahrung beginnt man nun bereits einige Tage vor Ostern mit den Vorbereitungen - und lässt sich im Bayerischen Wald "vom Weinfurtner in Arnbruck" neue Glaskugeln blasen, nach dem Muster der alten.

Für einen Christus-Ersatz hatte Gisi Stadler davor schon gesorgt: Sie fuhr nach Rosenheim, um sich davon zu überzeugen, wie so ein Heiland vom Münchner Spezialist für Kirchenbedarf Ludwig im Original aussieht. Die Optik überzeugte, man kaufte eine eigene, größere Figur, die Kosten übernahm die Initiatorin des Projekts.

In Sankt Christoph muss zwar bis auf den Lichterkranz nichts ersetzt oder ergänzt werden, da gilt es nach dem Fund der Fichtenholzteile aber dafür zu sorgen, dass man sie wieder problemlos zusammenmontieren kann. "Die Naturbretter hatten sich alle verzogen, darum wurden neue Verschlüsse angebracht", so Peter Bachmaier, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats. Doch wie kam das Grab vor etwas mehr als zehn Jahren zum Vorschein?

Das ist dem Sohn der neuen Mesnerin Ursula Münch zu verdanken: Der damals 18-jährige Michael stieß im Sakristeilager auf die Teile, fragte, ob man nicht die Tradition wieder aufleben lassen könne. Mit Hilfe von Leuten, die sich noch erinnern können, wie alles aussehen soll, wurden die Fundstücke wie ein Puzzle zusammengesetzt. Seitdem können die Gläubigen jedes Jahr nun den mit Blumen geschmückten Aufbau vor dem rechten Seitenaltar bewundern.

Gelegenheit zu einem Besuch gibt es in den kommenden drei bis vier Wochen zwischen 8 und etwa 20 Uhr. Nach Hohenlinden hingegen muss man sich bis Mitte April aufmachen, um das Ergebnis der aufwendigen Vorbereitungen zu sehen: Los geht es im Anschluss an die 15-Uhr-Liturgie am Karfreitag mit dem Christus im Heiligen Grab. Geöffnet ist auch am Karsamstag bis 16 Uhr, danach wird für den Ostergottesdienst hergerichtet. Nach dem Ostersonntag hat der auferstandene Heiland bis Pfingsten seinen Platz mitten im Hochaltar.

Allerdings hat die Pandemie auch Auswirkungen auf das Heilige Grab: Aufgrund der Auflagen sind viele Bänke gesperrt und der Platz vor dem Grab ist deutlich reduziert. Deswegen soll auch von der Seite freie Sicht möglich sein - was aber nur geht, wenn auf verdunkelnde Vorhänge verzichtet wird. Das ist schade, weil dadurch die Lichteffekte nicht ganz so zur Geltung kommen wie sonst. Doch immerhin sind zu den Öffnungszeiten von 8 Uhr morgens an alle willkommen, nicht wie früher mit fester Zuordnung eines bestimmten Zeitfensters pro Ortsteil.

Auf zwei Dinge kann man sich in Hohenlinden auf jeden Fall freuen: Der vom Pfarrgemeinderat gestiftete, in Südtirol handgeschnitzte Wächter-Engel des leeren Grabes feiert heuer endlich Premiere. Und Malermeister Falterer hat eine weitere Ausgestaltung der Grabhöhlenkulisse in Aussicht gestellt. Ob noch in diesem Jahr, lässt er offen. Aber auch so lässt das Konstrukt mit den Hortensien und den bunten Lichtern überaus beeindruckend deutlich werden, worum es an Ostern geht: "Er ist wahrhaftig auferstanden!"

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Quelle:
SZ vom 01.04.2021
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