Süddeutsche Zeitung

Bildung im Landkreis Ebersberg:Masterplan Kind

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Wie groß die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bildung im Landkreis sind, lässt sich derzeit nur erahnen. Fest steht aber, dass es Maßnahmen braucht, um die entstandenen Lücken wieder zu schließen

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wie groß die Lücke am Ende tatsächlich sein wird, bleibt abzuwarten. Fest steht aber bereits jetzt: Es wird eine Lücke geben. Gemeint ist die Kluft, die sich bei Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie im Bildungsbereich aufgetan hat. Während Schüler aus besser situierten Familien meist gut Schritt halten können im Spießrutenlauf durch die neuen Lernformen, laufen Kinder mit besondrem Unterstützungsbedarf Gefahr, auf der Strecke verloren zu gehen. Das dürfe in der Bildungsregion Ebersberg keinesfalls passieren, ist man sich in der Kreistagsfraktion der SPD einig. Einen von den Sozialdemokraten im März eingereichten Fragenkatalog hat die Kreis-Verwaltung inzwischen umfassend beantwortet, das Ergebnis aber ist in Teilen ernüchternd. Denn es ist schwer, an die bedürftigen Schüler überhaupt heranzukommen.

Um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen, hat das Team Bildung am Landratsamt eine Elternbefragung an allen landkreiseigenen Schulen durchgeführt. Demnach sind die Familien inzwischen gut mit technischen Geräten ausgestattet - zumindest diejenigen, die sich an der Befragung beteiligt haben. Der Rücklauf liegt bei rund 1600 Antworten, was einer Quote von etwa 20 Prozent entspricht, wie Sachbearbeiter Hubert Schulze im Rahmen einer Sondersitzung des Kreis-Bildungsausschusses sagte. Am häufigsten werde für das Homeschooling ein Laptop genutzt, aber auch Tablets und Smartphones kommen zum Einsatz. Ebenfalls hat das Landratsamt einen hohen Bedarf an Druckern registriert - ein Gerät, das in keinem Fördertopf enthalten ist.

Aus Reihen der Kreisräte gab es Kritik, dass sich die bedürftigen Familien wahrscheinlich eher nicht an der Befragung beteiligt hätten. Und tatsächlich kann man die Ergebnisse wohl nicht allzu sehr verallgemeinern. Insofern bleibt der Wunsch der SPD-Fraktion, der Landkreis möge für alle Schüler im Homeschooling die gleichen technischen Voraussetzungen schaffen, unerfüllt. Man habe nur einen sehr begrenzten Einfluss auf das häusliche Umfeld, heißt es in einer Stellungnahme der Verwaltung.

Diese Hürde will der Landkreis durch den Kauf von Leihgeräten beseitigen. Über ein Sonderbudget hat das Landratsamt bislang mehr als 600 solcher Geräte im Wert von mehr als einer halben Million Euro angeschafft. Für besonders bedürftige Haushalte wurde zudem ein Spendentopf über 10 000 Euro aufgelegt, wie der Sozialausschuss bereits früher auf einen Antrag von ÖDP/Linke hin beschlossen hatte. Daraus seien bislang 30 Familien beim Kauf von rund 40 Endgeräten unterstützt worden, wie es vonseiten der Behörde heißt.

Offenbar tragen einige dieser Maßnahmen inzwischen Früchte. So hat ein Großteil der vom Landratsamt befragten Eltern angegeben, der Fernunterricht habe sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert. "Das ist auch ein Kompliment an die Schulen", sagte dazu Hubert Schulze. Kurioserweise sind die Noten der Schüler im selben Zeitraum aber eher schlechter geworden. "Wie wir als Sachaufwandsträger damit jetzt umgehen sollen, weiß ich auch nicht so genau", so Schulze. Das ist aber ohnehin nicht Thema des Landratsamtes. Die Behörde ist vielmehr dafür zuständig, die Rahmenbedingungen für möglichst gute Bildungschancen zu schaffen, etwa durch außerschulische Unterstützungsangebote. So habe man im laufenden Schuljahr 55 offene und acht gebundene Gruppen zur Ganztagsbetreuung eingerichtet, wie aus der Stellungnahme der Verwaltung zur SPD-Anfrage hervorgeht. Die Sozialdemokraten würden sich zudem wünschen, dass in Ebersberg in diesem Sommer im Rahmen der Angebote des Freistaats "freizeitpädagogische Ferienprogramme" umgesetzt werden. Dafür könne man noch keine Zusage geben, die Rahmenbedingungen in den zuständigen Ministerien seien noch nicht konkretisiert, heißt es darauf vom Landratsamt.

Dieses sah sich in Person von Landrat Robert Niedergesäß (CSU) bei der Sondersitzung auch zu einer durchaus emotionalen Verteidigungsrede bemüßigt. Linken-Kreisrätin Marlene Ottinger hatte angefragt, wie es sein könne, dass Mitarbeiter des Jugendamtes für Corona-Aufgaben abgestellt worden seien. Es gehe schließlich nicht nur um die technische Ausstattung, sondern auch darum, dass die Familien in der schweren Zeit einen Ansprechpartner hätten. Der vorwurfsvolle Unterton an die Adresse seiner Behörde gefiel Niedergesäß allerdings gar nicht: "Das ist ein Affront gegen die Mitarbeiter dieses Hauses", schimpfte der Landrat. Aus allen Abteilungen seien Kräfte zur Pandemiebekämpfung abgestellt worden. "Wir können nicht alles leisten", so Niedergesäß. Florian Robida vom Jugendamt ergänzte, dass die Arbeit in seiner Abteilung deshalb natürlich nicht liegen geblieben sei. Ohnehin müsse man den Blick weg von der reinen Bildung und wieder mehr auf die Kinder selbst richten. "Wie schaffen wir es, dass die Kinder wieder soziale Kontakte haben?", fragte Robida in die Runde.

Eine Antwort darauf zu finden, wird eine der großen Aufgaben sein, die der Landkreis in der kommenden Zeit zu meistern hat. So forderte Christa Stewens (CSU) "eine konzertierte Aktion, um die zwei Jahre nachzuholen". Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der der Landkreis seinen Beitrag leisten müsse. Omid Atai (SPD) wollte den Sachstandsbericht der Behörde nicht als Ende, sondern als Anfang verstanden wissen. "Bildung steht nicht für sich alleine, sondern ist eine Symbiose mit dem Sozialen." Was es jetzt brauche, sei ein "Masterplan Kind", so Atai. Einen solchen hat der Sozialausschuss zwar nun nicht in Auftrag gegeben, dem Gremium soll aber in der Herbst-Sitzung erneut über die Corona-bedingten Auswirkungen auf die Bildungsgerechtigkeit berichtet werden. Dann, so waren sich alle Kreisräte einig, wolle man weitere Schlüsse daraus ziehen, damit in Ebersberg wirklich kein Kind verloren geht.

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SZ vom 11.05.2021
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