Süddeutsche Zeitung

Verkehr im Kreis Ebersberg:"Es gibt drei Level in der Autonomie"

Lesezeit: 3 min

Selbst fahrende Autos: Manche sind dafür, andere dagegen. Max Schmidt fährt einen sogenannten Level-2-Pkw Probe - und kommt zu einem Fazit.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Auf den ersten Blick verrät nicht viel, dass der VW GTE, den Max Schmidt diese Tage Probe fährt, etwas Besonderes ist. Lediglich das zylinderförmige, schwarze Lidar - steht für: "Light Detection and Ranging", eine Art Radar, das mit einem Laser funktioniert - das auf dem Dach angebracht ist, sticht etwas ins Auge. Doch stille Wasser sind bekanntlich tief, und so verrät dann erst die Innenschau, worum es sich hier handelt: um einen autonom fahrenden Pkw, bereitgestellt vom Lehrstuhl für Ergonomie der Technischen Universität München.

Schmidt muss das "autonom" gleich relativieren: "Es gibt drei Level im Bereich Autonomie im Verkehr. Der erste ist nicht viel mehr als ein sehr guter Tempomat. Level drei wäre ein gänzlich allein operierendes Fahrzeug." Bei dem Prototypen handle es sich um ein Level-2-Fahrzeug, mit unterschiedlichen Features. Dazu gehört ein intelligenter Spurwechselassistent. Das Auto erkennt, ob ein Blinker gesetzt wurde oder nicht und erzeugt im letzteren Fall einen Widerstand im Lenkrad - bis man sich brav richtig verhält. Auch sieht der Wagen, ob ein Auto auf der anderen Spur ist und kann darauf reagieren.

Der Wagen passt automatisch Abstand und Geschwindigkeit an

"Über Abstand und Geschwindigkeit muss man sich überhaupt keine Sorgen mehr machen", berichtet der Grafinger. Man kann verschiedene Abstandsstufen einstellen, je nach Geschmack, und der Wagen scannt selbstständig Verkehrsschilder und passt dementsprechend die Geschwindigkeit an. "Als ich auf der Autobahn war, bin ich durch eine Abstands- und Geschwindigkeitskontrolle gefahren - so entspannt war ich dabei noch nie."

Die Hände muss Schmidt trotzdem am Lenkrad halten und er bleibt auch die ganze Zeit auf die Strecke konzentriert. In Sekundenbruchteilen muss er in der Lage sein, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Dieses Auto ist ohnehin nicht unbedingt als Vorstufe zu einem Level-3-Wagen gedacht. Die Flotte des Lehrstuhls für Ergonomie ist stattdessen dafür da, zu erproben, wie Menschen auf autonome Fahrzeuge reagieren, wie sie sich während der Fahrt fühlen. "Deswegen werden auch gerne ältere Probanden, wie ich, verwendet, weil die Skepsis gegenüber solchen Fahrzeugen unter ihnen noch weit verbreitet ist", so Schmidt.

Manchmal stellt sich noch ein mulmiges Gefühl ein

Er selbst hat hier wenig Berührungsängste, seit mehr als zehn Jahren geht der Physiklehrer a.D. und frühere Vorsitzende des Philologenverbands am Lehrstuhl ein und aus, er hat schon die ersten Parkassistenten mit geprüft. Jetzt braust er in dreiviertelstündigen Testfahrten über die Autobahn und lässt sich dabei von mehreren Kameras im Innenraum und einem Mikrofon freiwillig totalüberwachen. Jede Regung und Äußerung wird aufgenommen, um Rückschlüsse über den Komfort und mögliche Probleme ziehen zu können.

Ein solches Problem ist beispielsweise, dass das Auto zwar Geschwindigkeitsschilder erkennt - das aber erst relativ spät, was dann zu mehr oder weniger abruptem Abbremsen führt. "Ich verstehe jetzt meine Frau besser, die mir immer vorwirft, zu spät abzubremsen und nicht vorausschauend genug zu fahren", sagt Schmidt. Auch in anderen Situationen stellt sich manchmal noch ein mulmiges Gefühl ein, etwa wenn der Wagen selbstständig stark abbremst, weil ein Traktor auf die Fahrbahn auffährt und sich eine Kolonne gebildet hat oder wenn das Lenkrad störrisch wird, bei fehlendem Blinker.

Level 2 ist für Schmidt begrüßenswert, Level 3 eher nicht

Insgesamt begrüßt Schmidt jedoch die technische Hilfe: "Schlechte Gewohnheiten werden korrigiert und aufgrund der Abstands- und Geschwindigkeitskontrolle fahre ich deutlich entspannter. Man kann sich mehr mentale Ruhepausen gönnen, ohne die Konzentration fallen zu lassen." Deswegen glaubt Schmidt auch, dass solche Level-2-Fahrassistenten in der Zukunft weit verbreitet sein werden, nur ohne auffälliges Lidar auf dem Dach.

Skeptisch bleibt er hingegen, wenn es um Level-3-Fahrzeuge geht, wie sie zum Beispiel Tesla entwickelt. "Während dem Autofahren Zeitung lesen - ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Ich will der Verantwortliche sein."

Zum Schluss kommt die Diskussion dann auch noch auf die Frage nach der Effizienz solcher Fahrzeuge, als Schmidt erzählt, dass er auch einen Porsche hätte fahren können: "Ich mag dieses Bild nicht, ein alter Mann im Porsche auf der Autobahn, der dann mit 130 Kilometer pro Stunde dahinzuckelt." Viele der als Zukunftstechnologie gepriesenen autonomen E-Autos sind PS-Monster, die Unmengen an Platz und Ressourcen verbrauchen und somit, zumindest im Augenblick, Luxusprodukte bleiben. Bis man sie vermehrt auf der Straße bemerkt - oder nicht bemerkt - kann es also noch ein Weilchen dauern.

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