Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Grafing:Inseln der Entspannung

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Mit Fotos und lyrischen Texten laden Gudrun Probul und Johannes Schmieg zu einer Auszeit in die Evangelische Auferstehungskirche

Von Michaela Pelz

Was bleibt einer Gemeinde, wenn alles andere zum Erliegen kommt? Wenn keine Kreise, Gruppen, Versammlungen mehr stattfinden dürfen - am Ende nicht einmal mehr Gottesdienste? Einerseits der Kirchturm mit Glocken und Geläut, das ohne den üblichen Verkehrslärm noch einmal ganz neu wahrgenommen wurde, sagt Pfarrer Axel Kajnath von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Grafing - Aßling - Glonn. Andererseits natürlich der Kirchenraum selbst. Um Ruhe zu finden, sich in der Stille zu sammeln und Kraft zu tanken. Seit Pfingsten gibt es nun in der Grafinger Auferstehungskirche zusätzlich die Möglichkeit, mit Fotos und Texten gedanklich in andere Gefilde zu reisen und sich inspirieren, trösten und stärken zu lassen.

Zu verdanken ist dies Gudrun Probul und Johannes Schmieg. Die beiden engagierten Mitglieder des Kirchenvorstands sind schon seit 2014 ein kreatives Team. Die Frau aus Moosach schreibt, der Grafinger setzt ihre Zeilen kraftvoll und kreativ ins Bild. Manchmal falle ihm direkt das passende Motiv zu einem bestimmten Wort ein, dann wieder müsse er länger überlegen, um unter den circa 100 000, thematisch gegliederten Bildern auf seiner Festplatte eines zu finden, das mit der zweiten Ebene, der Botschaft des Textes, harmonisiere, sagt der frühere Physiker, der sich seine fotografischen Kenntnisse autodidaktisch angeeignet hat. So verfährt er beim jährlich gemeinsam herausgegebenen Kalender - und jetzt wieder.

Auf die Frage, wie lange das "Angebot für Inseln im Alltag" gilt, erwidert Probul mit einem kleinen Lachen: "Bis die Kirche im Sommer geweißelt wird. Nur deswegen dürfen wir Nägel in die Wand schlagen." Insgesamt 22 Foto-Text-Kompositionen haben die beiden für ihre immer am Monatsanfang wechselnden Ausstellungen zusammengestellt - aktuell hängen die ersten acht.

Die Idee des Projekts ist es, den Menschen Trost und Halt zu bieten, ihnen die Gelegenheit zu geben, sich aus dieser für alle anstrengenden Zeit auszuklinken, positive Energie zu tanken. Die unterschiedlich langen Texte handeln von Liebe, Freundschaft und von der Verbundenheit zur Natur. Diese erlebt die 54-jährige Probul nicht nur bei ihren täglichen Spaziergängen, sondern sie wird auch im Text greifbar. Etwa, wenn es in dem Gebet "Und dann" um die Dankbarkeit der gläubigen Christin für die Schöpfung und ganz konkret um die Stelle in der Nähe ihres Hauses geht, an der sie im Winter in die glasklare Moosach steigt, "bei sechs Grad, wenn der Steinsee mir mit vier Grad zu kalt ist". Man kann sich die verzauberte Stimmung auf dem Weg dorthin direkt vorstellen: "Gehüllt in grün-goldenes, geheimnisvolles Licht, / umgeben von Flattern, Summen, Klopfen, / Krächzen, Rascheln, Surr'n / nimmt uns die Natur auf in sich / und wir werden Eins." Nachgerade fantastisch passt dazu das bei Maria Laach aufgenommene Foto von leuchtend türkisfarbenem Wasser, das Schmieg lediglich in Puncto Helligkeit und Kontrast bearbeitet, nicht aber im Mindesten nachkoloriert hat.

Stolz ist der Fotograf auch auf das Bild einer Möwe, entstanden mit Hilfe von langer Belichtungszeit und indem er der Bewegung des Vogels folgte. Das Bild gehört zu "Ich wünsche dir Flügel", dem Wort gewordenen Herzenswunsch aller Eltern für ihre Söhne und Töchter, der wie weitere berührende Verse der sechsfachen Mutter das Glück und den Segen eines Lebens mit Kindern zum Ausdruck bringt. Als Beispiel sei noch genannt der Text "Seit du in mir gewachsen bist", auf den man sich in einem der kommenden Monate in Kombination mit der sensationellen, aus zehn Bildern zusammengesetzten Makroaufnahme eines Silizium-Karbid-Kristalls freuen darf. Abstrakt ist sie und herrlich bunt.

"Diese Wände eignen sich dafür, Farbe zu zeigen", meint Hausherr Axel Kajnath. Zum Glück habe sich die Gemeinde vor 50 Jahren nicht dem Vorschlag des Architekten gebeugt, sie komplett schmucklos zu lassen. Erst habe man die auf Putz gemalten Evangelisten aus dem vorherigen Gotteshaus, der Heilandskirche, ins neue Gebäude mitgenommen. Nun gäbe es seit vielen Jahren immer wieder Ausstellungen, für deren Dauer die Fresken dann mit Nesselvorhängen verhüllt werden. So auch beim Zyklus "Theatrum sacrum" der Künstlerin Monika Reisser, in dem die Forstseeonerin die christlichen Hauptfeste auf großformatigen Bildern darstellt. Derzeit hängt passend zum Pfingstfest noch: "Die Kraft des Geistes".

Da die Kirche nach wie vor auch außerhalb der Gottesdienstzeiten geöffnet ist, kann man dieses Werk sowie die Kreationen von Gudrun Probul und Johannes Schmieg ganz in Ruhe studieren und dabei den Kirchenraum für eine kontemplative Auszeit nutzen. Sogar mit Verlängerung. Denn im Vorraum liegen Blätter zum Mitnehmen mit einer Übersicht der aktuellen "Inselangebot"-Fotos - als Erinnerungsstütze für daheim.

Ausstellung "Inselangebot" in der Evangelischen Auferstehungskirche Grafing mit Texten von Gudrun Probul und Fotos von Johannes Schmieg. Geöffnet täglich von 8 bis 18 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2020
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