Süddeutsche Zeitung

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 87:Eine überbelegte Intensivstation

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Als Pola Gülberg ihren Spätdienst antritt, sind 17 Patienten zu betreuen - anstatt maximal 14. Wie kommt es dazu? Und was ist dann wichtig, um die Versorgung aufrecht zu erhalten?

Protokoll: Johanna Feckl

Für gewöhnlich positionieren wir alle Patienten auf unserer Intensiv alle zwei Stunden um, also dreimal pro Schicht - sofern sie es nicht selbst können. Damit soll zum einen verhindert werden, dass sie sich wund legen, zum anderen ist es einfach unbequem, immer in derselben Position zu liegen. Doch wenn die Station einmal überbelegt ist, heißt es: Prioritäten setzen. Das kann bedeuten, dass manch ein Patient nur zweimal pro Schicht umpositioniert wird. Kürzlich war ein solcher Tag. Als ich zur Spätschicht kam, waren 17 Patienten zu versorgen. Eigentlich sind wir für maximal 14 ausgelegt. 17 Patienten sind 21 Prozent mehr, als es sein sollten. Drei Fälle mehr oder weniger machen also einen gewaltigen Unterschied für unsere Arbeit.

Zu einer solch hohen Überbelegung kommt es selten, denn wenn all unsere Betten belegt sind, melden wir uns bei der Zentralen Leitstelle ab. Notfälle können dennoch zunächst in die Notaufnahme kommen, das nennt sich Akutbelegung. Das sind Patienten, deren Leben bei der Fahrt zu einer weiter entfernt liegenden Klinik bedroht wäre. Meistens sind es aber nicht solche externen Notfälle, die zur Überbelegung führen. Viel öfter sind es Patienten aus dem Haus, deren Zustände sich verschlechtert haben.

Zunächst haben wir an jenem Tag versucht, Patienten zu verlegen, um wieder etwas Luft zu schaffen. Denn es kann jederzeit passieren, dass noch ein weiterer Fall zu uns kommen muss. Voraussetzung ist immer, dass der Gesundheitszustand eine Verlegung überhaupt möglich macht. In jener Spätschicht konnten wir immerhin einen Patienten in eine andere Klinik und einen anderen zurück auf die Normalstation bringen.

An die Betten der drei beatmeten Patienten, die ich versorgt habe, begleitete mich ein Pflege-Azubi. Das war super, denn so habe ich die einzelnen Schritte automatisch etwas langsamer ausgeführt, um sie zeigen und erklären zu können. Das half dabei, trotz der vielen Arbeit gut organisiert zu bleiben. Von dem Gewusel, das draußen auf dem Flur herrschte, haben meine Patienten also nichts mitbekommen - und darauf achte ich immer: Stress hat im Patientenzimmer nichts zu suchen. Denn springe ich um das Bett herum und arbeite hektisch, macht das meine Patienten unruhig - im Zweifel werden sie dadurch instabil.

Wir waren wie Roboter am Arbeiten, aber auch das kann nach einer Weile gefährlich werden: Wenn die Sensitivität nachlässt, merkt man gewisse Sachen nicht mehr. Doch wir versorgen schwer kranke Menschen, uns darf nichts entgehen. Für eine geregelte Pause war keine Zeit, trotzdem sind wir mal für ein paar Minuten verschwunden, um einen Kaffee zu trinken und einen Bissen zu essen. Denn selbst ein solch kurzes Päuschen sorgt dafür, dass wir danach wieder fokussiert bei der Sache sind.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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