Süddeutsche Zeitung

Anzinger Weinbeisser:Kafka und Kritik

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Der Frühling wird so absurd wie politisch

Von Dorian Braganz, Anzing

Wer sich fragt, wie sich das Duo Klangzeit wohl anhört, der stelle sich am besten eine Filmszene vor, in der die Protagonisten über den Markusplatz in Venedig laufen. Also vor der Coronaepidemie. Zu einer Zeit, in der sich die Menschen noch auf dem Piazza tummelten und Musikanten dem Gewimmel ihren Sound aufdrückten. Man hört ein Akkordeon, begleitet von einer Geige, mal in schnellem Rhythmus, mal ganz langsam. Die Geige imitiert dabei die verschiedenste Klangfarben, vom arabischen Rabāb bishin bis zur E-Gitarre. Ein wenig "weltmusikalische Frischluft" eben. So lautet der Titel des Programmes von Klangzeit, das sich aus den beiden Musikern Marie-Josefin Melchior und Johann Zeller zusammensetzt. Am Mittwoch, 1. April, werden die beiden auf der Bühne des Weinbeissers in Anzing auftreten. Kein Aprilscherz.

Im Mai wird es dort dann kafkaesk. Dann tritt ein Mann auf, der zwar ganze zwei Jahre lang als Gagschreiber für die "Harald-Schmidt-Show" gearbeitet hat, aber völlig offen damit umgeht, dass es freilich niemals einer seiner Witze in die Sendung geschafft hat. Die Rede ist von Thomas Steierer alias "Metromadrid", der sich selbst als "modernen Sisyphos" bezeichnet: Stoisch, lakonisch und "mit kapitulierender Klarheit". Der Kabarettist will auch keinen "Fernsehnasen-Mainstream" liefern, obwohl er hin und wieder bei "Nightwash " oder im "Quatsch-Comedy-Club" auftritt. Das muss jedoch kein Widerspruch sein: In diesen Sendungen war bekanntlich auch schon der - alles andere als mainstreamige - Serdar Somuncu zu Gast. Sein Programm nennt Steierer "Der urbane Dorfdepp - Galgenhumor 4.0". Wer also Lust darauf hat, sich von ihm "elementare Fragen des Daseins" erklären zu lassen, der möge am Mittwoch, 6. Mai, in den Weinbeisser kommen.

"Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr." Diese Zeilen von Wilhelm Busch dürfte den meisten bekannt sein. Und an 364 Tagen im Jahr (von Schaltjahren mal abgesehen) dürfte der Ausspruch auch stimmen. Außer am Vatertag, wo sich die Herren der Schöpfung bei ein paar gepflegten Getränken vom ach so schweren Vaterdasein erholen dürfen. Und so gibt es am Donnerstag, 21 Mai, im Weinbeisser ein "Vier-Gänge-Menü": eine Portion "Pulled Pork" und drei Bier. Ob es an diesem Abend ebenso existenzialistisch zugeht wie bei Metromadrid zwei Wochen zuvor, dürfte davon abhängen, wie tief die Väter dabei ins Glas schauen.

Das Gegenteil von Stammtisch gibt's dann am Mittwoch, 27. Mai, auf der Weinbeisserbühne zu sehen und zu hören: Der Liedermacher, der sich nur Weiherer nennt, bietet ein Musik mit Gitarre und Mundharmonika sowie obendrein eine "riesengroße Klappe", wie es in der Ankündigung heißt. Das Programm des "niederbayerischen Brutalpoeten" ( Süddeutsche Zeitung) ist eine Mischung aus Liedermacherei und Kabarett, "eine Art unvorbereitete Plauderei mit Toneinlage". Gerade seine Songs dürften in diesen Zeiten besonders spannend werden, stellt Weiherer doch sein bereits achtes Album vor, das den Titel "Im Prinzip aus Protest" trägt.

In dieselbe Richtung geht das Programm des Musikkabarettisten Werner Meier, Stammgast im Weinbeisser. Seine Lieder entführen in die "meierisch-bayerisch-verquere Welt", wo das Private politisch werde und das Zeitgeistliche alltäglich. Seine Gitarre sorgt für den instrumentale Begleitung, sein "freches Mundwerk" erzählt vom "Schwachsinn unserer Zeit". Dabei will Meier nicht die schnelle Anerkennung für billige Schenkelklopfer einheimsen, nein, vielmehr schreibt er es sich auf die Fahne, den "schwierigen Drahtseilakt" zwischen Ernst und Unterhaltung gut auf die Kette zu bekommen. Am Mittwoch, 15. Juni, tritt er den Beweis im Weinbeisser an.

Der Weinbeisser, Parkstraße 42 in Anzing. Einlass ist jeweils um 18 Uhr, Beginn um 20.30 Uhr. Reservierung für die Veranstaltungen ist ab sofort möglich (nur mit Vorkasse). Bitte eine Mail mit gewünschter Kartenanzahl an buehne@derweinbeisser.de senden.

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SZ vom 10.03.2020
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