Süddeutsche Zeitung

Dschihadismus:23-jähriger Münchner nach Syrien ausgereist

Lesezeit: 2 min

Von Katja Riedel

Seinen Pass hatte ihm das Kreisverwaltungsreferat schon vor Längerem entzogen. Deutsche wie türkische Sicherheitsbehörden hatten ihn im Blick, wöchentlich musste er sich bei der Münchner Polizei melden. Und doch ist es Halit K. offenbar zum zweiten Mal binnen weniger Monate gelungen, über die Türkei nach Syrien auszureisen. Womöglich, um sich als dschihadistischer Kämpfer einer Terrormiliz anzuschließen.

Der Dschihadisten-Fachblog Erasmus Monitor veröffentlichte am Donnerstagabend mehrere Fotos, auf denen Halit K. mit Erhan A. zu sehen ist, Bayerns wohl prominentestem Dschihadisten, der aus dem Allgäu stammt. Er hält sich nach eigenen Angaben so wie der Münchner Halit K. in Nordsyrien auf. Die Sorge, dass er sich dorthin aufgemacht haben könnte, hatte K.s Familie bereits im Mai. Tagelang suchte sie damals öffentlich nach ihrem Sohn.

Bald war er wieder zurück in München - und seine Familie verbreitete eine schier unglaubliche Geschichte: Der 23-Jährige sei nicht etwa in die Türkei gereist, um sich in den Kriegsgebieten als Kämpfer anzubieten, sondern aus Liebe zu einer Frau. Tatsächlich war er nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mit falschen Papieren in die Türkei ausgereist, wo die Behörden ihn und einen mitfahrenden Freund abfingen und zurückschickten, bevor sie nach Syrien gelangten. Strafbar war der Ausreiseversuch in die dschihadistischen Kriegsgebiete zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Welche Informationen gesichert sind - und welche nicht

Die neuen Nachrichten über Halit K. stammen nun nicht von seiner Familie, sondern von Erhan A.. Der Allgäuer wurde Ende 2014 infolge eines Interviews mit dem SZ-Magazin, in dem er mit Gewalttaten gedroht hatte, in die Türkei abgeschoben. A., der zu großen Posen neigt, brüstete sich bei Facebook zuletzt mit Waffen und zeigte sich jetzt auch in Begleitung von Halit K. und in Kampfmontur. Erhan A. behauptet zudem, er sei im Mai gemeinsam mit Halit K. über die syrische Grenze gelangt, nachdem die beiden sich über das Internet kennengelernt hätten - das aber ist nach Informationen der SZ falsch.

Halit K. ist im Mai noch für einige Monate nach München zurückgekehrt. Er und Erhan A. sollen sich zwar kennen, aber keine ganz engen Vertrauten sein. Wann und wie genau sie zusammengefunden haben, ist noch unklar. Erhan A. gibt an, dass beide in Nordsyrien kämpften, und er sagt auch, dass er dem Freistaat Bayern dankbar sei, dass er abgeschoben worden sei. Das Leben in Syrien sei "top", zitiert ihn Erasmus Monitor. Er lebe mit vielen europäischen Kämpfern zusammen: "Deutsche, Österreicher, Schweizer, Engländer und andere." Man müsse "kaum auf was verzichten". Er werde "hier von Allah versorgt".

Wie sein Münchner Gefährte Halit K. nach Syrien gekommen ist, ist noch unklar. Ihm ist es also offenbar zweimal gelungen, ohne gültiges Reisedokument nach Syrien auszureisen. Diesmal hat ihn niemand gestoppt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2820143
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.01.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.