Süddeutsche Zeitung

Diskotheken-Klos:Frisch aus der Kabine

Lesezeit: 2 min

Bullaugen, Fenster, Pinkelbäume: Die ausgefeiltesten Orte in Münchner Clubs sind nicht mehr die DJ-Kanzel, die Tanzfläche oder die VIP-Lounge. Das Klo ist nun der wichtigste Raum einer Diskothek.

Von Philipp Crone, München

Die Toiletten sollen ein Aushängeschild sein? Wenn ein Clubbetreiber so etwas sagt, muss sich etwas Grundsätzliches verändert haben bei der WC-Wahrnehmung im Nachtleben. Und das hat es auch. Mittlerweile sind die ausgefeiltesten Orte mancher Clubs nicht mehr die DJ-Kanzel, die Tanzfläche, der Tresen oder die VIP-Lounge, sondern der Toilettenbereich. Warum? Aus vielen Gründen. Einer davon: Das Klo ist der wichtigste Raum einer Diskothek.

Der Musiker Konstantin Wecker hat das Pissoirgefühl in einem Lied einmal wunderbar beschrieben: "Ich war pinkeln stockbesoffen und den Kopf an die Kacheln des Pissoirs gelehnt . . . da überkam mich plötzlich das Gefühl der Ewigkeit." Für Männer ist das Betreten des Club-WCs wie das Betreten einer Mannschaftskabine nach dem Halbzeitpfiff. Durchpusten, kurz runterkommen, die Taktik neu durchdenken oder besprechen: offensiv oder defensiv, Tanz oder Tresen, zurückhalten oder umwerben, die richtige Position. All das. Denn in einem Club geht es letztlich immer um die Pärchenfindung, also um Gewinnen und Verlieren. Da kommt eine kurze Unterbrechung auf der Toilette manchmal genau richtig. Das haben auch die Veranstalter bemerkt.

WCs, die "ein sozialer Raum sind"

Im P1 haben sie deshalb gleich 150 Quadratmeter für Damen und Herren bereitgestellt. Die Psychologie eines Clubs verlangt für das richtige Paarverhalten ja viel, versteckte Bar-Ecken als Rückzugsorte, den Überblick von jedem Ort auf das Geschehen, nicht dass ein Prachtexemplar unbemerkt durch das Revier läuft. Und dann eben die WCs, die "ein sozialer Raum sind", wie David Süß vom Harry Klein sagt. Sie werden verschieden genutzt. Frauen gehen "fast immer zu zweit auf die Toilette", sagt Matthias Scheffel, beteiligt unter anderem am Pacha. Das P1 hat Doppel-Toiletten, getrennt nur durch eine Luke, welche die Damen öffnen können, wenn sie sich unterhalten wollen. Für die Männer gibt es Baumstämme, an denen eiserne Pissoirs befestigt sind. Konstantin Wecker hätte hier bestimmt ein besonders starkes Gefühl für Ewigkeit entwickeln können.

"Der Grundgedanke eines Clubs ist immer: Wie schaffe ich eine Kommunikation zwischen Mann und Frau", sagt Tobias Streit, der Geschäftsführer des Jack Rabbit war und nun die Bar "Tobi's Kitchen" führt. "Und das gilt eben auch auf den WCs." Die Idee, gemeinsame Waschräume einzurichten, ist schon alt und bewährt. Im Jack Rabbit verleitet die zentrale Waschbecken-Badewanne zu kleinen Neckereien, eben Kommunikation.

Nicht immer sind die Männer diejenigen, die Dreck hinterlassen

Sind die Sanitärbereiche dreckig, fühlt sich der Gast unwohl, weil er weiß: Da muss ich wahrscheinlich auch mal hin. Wobei nicht immer die Männer diejenigen sind, die den Dreck hinterlassen. "Auf der Frauentoilette in meiner Bar sieht es immer ganz schlimm aus", sagt Streit, der im Glockenbachviertel eine Bar betreibt. Bei Streit passt allerdings niemand vor den Toiletten auf, während in vielen Clubs die Klofrau oder der Klomann genauso wichtig für die Stimmung ist wie ein gut gelaunter DJ. In der Paradiso Tanzbar hatten sie einen Mitarbeiter, genannt Ivan, der nachts vor den Eingängen saß und jedem, der rein oder raus ging, einen leicht lasziven Spruch mitgab.

Süß vom Harry Klein sagt: "Früher, im Ultraschall vor vielen Jahren, da waren vor allem gepflegte Toiletten wichtig, heute sind die WC-Bereiche richtige Aushängeschilder." Man könne bei Einrichtung und Gestaltung "maximal frech sein", sagt Scheffel vom Pacha. Klar sei aber, dass Frauen eine höhere Verweildauer haben. Weil es weniger Frauentoiletten gibt und das Nachschminken noch immer eher Frauensache ist. Die einen mit neuem Lidstrich, die anderen mit neuer Taktik - wieder raus aus der Kabine, bereit für die zweite Halbzeit.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2014
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