Süddeutsche Zeitung

Dieselmotoren:Hoffen auf die Richter

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Der Freistaat verweigert ein Konzept für ein Dieselfahrverbot. München aber stellt bereits konkrete Überlegungen an

Von Dominik Hutter, München

Der Freistaat Bayern will trotz eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) zum Jahreswechsel kein Konzept für Dieselfahrverbote vorlegen. Aus Sicht der Staatsregierung sei es "nicht zumutbar, der Öffentlichkeit nach der derzeitigen Rechtslage rechtswidrige Fahrverbote zur Diskussion zu stellen und die Bürger somit zu verunsichern", erklärte ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums und appellierte an die Justiz, diese Entscheidung zu akzeptieren. "Es wäre ein starkes Signal der bayerischen Gerichte, dass es letztlich auch um praktikable Lösungen geht, wenn die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewartet werden könnte". Das Urteil aus Leipzig war ursprünglich für Herbst 2017 erwartet worden, nun soll die Verhandlung Ende Februar beginnen. Danach soll feststehen, ob die Rechtslage in Deutschland Dieselfahrverbote zulässt.

Mit seiner Weigerung riskiert der Freistaat erneut, ein Zwangsgeld bezahlen zu müssen. Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte der Staatsregierung Ende Februar auferlegt, bis 31. Dezember ein vollzugsfähiges Konzept für Dieselfahrverbote auszuarbeiten - in vollem Wissen, dass die Rechtmäßigkeit nicht abschließend geklärt ist. Den Richtern ging es darum, dass Fahrverbote rasch umgesetzt werden können, falls Leipzig grünes Licht gibt. Allerdings musste der VGH damals noch davon ausgehen, dass diese Frage bis zum Jahreswechsel geklärt ist. Die Richter waren von der Deutschen Umwelthilfe eingeschaltet worden, die das fortdauernde Überschreiten der europäischen Stickstoffdioxid-Limits nicht länger dulden will. Der VGH war zu der Überzeugung gelangt, dass die Grenzwerte ohne eine Reduzierung der Dieselflotte nicht eingehalten werden können. Dieselmotoren gelten als Hauptemittenten von Stickstoffdioxid.

Der Freistaat hat bereits eine vom VGH verhängte Frist zum 31. August verstreichen lassen. Bis dahin hätte die Öffentlichkeitsbeteiligung für Dieselfahrverbote starten müssen. Die Umwelthilfe hat für diesen Verstoß bereits ein Zwangsgeld von 4000 Euro erwirkt und will nun mit weiteren juristischen Schritten ein Konzept für Fahrverbote erzwingen. Der Freistaat beruft sich jedoch darauf, dass ja auch die Verwaltungsrichter anerkannt hätten, dass über die Rechtslage noch nicht endgültig entschieden ist. Die Regierung von Oberbayern erarbeite derzeit eine Fortschreibung des Münchner Luftreinhalteplans ohne Fahrverbote. Darin geht es vor allem um die Nachrüstung von Dieselautos, eine Flottenerneuerung sowie die Förderung der Elektromobilität, des Radverkehrs und des öffentlichen Nahverkehrs.

Bei der Stadt München werden dagegen schon konkrete Überlegungen für Dieselfahrverbote angestellt. Das Problem: Es ist keine realistische Lösung in Sicht. Denn für die im Rathaus favorisierte Verschärfung der Umweltzone bräuchte es eine neue Plakettenverordnung, die nur von der Bundesregierung beschlossen werden kann. Dass sich die aktuelle geschäftsführende Regierung zu einem solchen Schritt durchringt, gilt als unwahrscheinlich - zumal die blaue Plakette bereits in der Vergangenheit am Veto der CSU gescheitert ist. Dieses Modell hätte den Vorteil, dass wie bei den ersten Stufen der Umweltzone Ausnahmen für eine Übergangszeit möglich sind und dass gezielt nur die alten Stinker aussortiert werden können.

Ohne Plakette wären die Autos jedoch nicht eindeutig identifizierbar, Dieselmotoren sind nicht ohne weiteres von außen erkennbar. Sollten die Leipziger Richter zu dem Schluss kommen, dass Fahrverbote ohne neue Plakettenverordnung allein auf Basis der Straßenverkehrsordnung zulässig sind, rechnet Umweltreferentin Stephanie Jacobs mit ernsthaften Problemen. Dann gäbe es keine Zone, sondern ein radikales Fahrverbot auf ausgewählten, einzeln beschilderten Straßen, die je nach Situation auch einmal wechseln können. Allein für Anschaffung und Aufstellung des Schilderwalds wären wohl zwei bis drei Jahre notwendig. Jacobs erwartet hohe Kosten und Ausweichverkehr in den Nebenstraßen. Dazu kommt: Laut Jacobs dürfte ein solches Fahrverbot nicht zusätzlich in der bestehenden Umweltzone gelten - so dass ausgerechnet die Innenstadt für Dieselautos offen wäre. Ihr Urteil: "nicht praktikabel".

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Quelle:
SZ vom 22.12.2017
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