Süddeutsche Zeitung

Datenschutz:Videoüberwachung in Bussen? Meist völlig unnötig

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Bayerns Innenminister Joachim Herrmann fordert mehr Kameras im Nahverkehr und auf Plätzen. Der Datenschützer Thomas Petri warnt vor den Folgen für völlig Unbescholtene.

Interview von Thomas Schmidt

SZ: Herr Petri, mehr Videoüberwachung bedeutet mehr Sicherheit, sagt die Polizei. Sagen Sie das auch?

Thomas Petri: Es ist klar, dass die Polizei Kameras an Kriminalitätsschwerpunkten in der Stadt einsetzten darf, da befinden wir uns rechtlich auf sicherem Boden. Beim öffentlichen Nahverkehr aber gibt es immer wieder Reibereien zwischen mir und den Kommunen. Die setzen die Videoüberwachung gern auch dort ein, wo sie überhaupt nicht notwendig ist.

Meinen Sie jetzt in U- und S-Bahnen?

In Zügen hat das Personal keinen freien Blick in den Fahrgastraum, hier kann eine Videoüberwachung sinnvoll sein. Aber in Bussen muss der Fahrer nur in den Spiegel schauen oder sich umdrehen. Er kann zur Ordnung rufen oder die Polizei alarmieren. Bis auf wenige Ausnahmesituationen ist die Videoüberwachung hier völlig unnötig.

Alle 100 U-Bahnhöfe Münchens werden gefilmt. Aber nur ein paar wenige davon sind Kriminalitätsschwerpunkte. Sollte man hier differenzieren, anstatt flächendeckend zu überwachen?

Ganz ehrlich gesagt: Das sehe ich so. Ich persönlich würde immer nach Notwendigkeit entscheiden. Aber diese Schlacht ist geschlagen, das ist gelaufen. Doch in den Bussen sehe ich es überhaupt nicht ein, die Überwachung auszubauen.

Minister Herrmann hat zudem - etwas schwammig - angekündigt, verstärkt auf Videos aus Einkaufszentren und Konzerthallen zugreifen zu wollen.

Das ist bewusst schwammig gehalten, weil die Gesetzeslage hier etwas unklar ist. Einkaufszentren dürfen filmen, müssen dem Aspekt Sicherheit dabei aber ein besonderes Gewicht geben.

Dann begründet man das eben mit Laden- oder Taschendiebstahl.

Ja genau, das ist der Punkt! Die Politik hat vielleicht den Terror im Blick gehabt bei der letzten Änderung des Überwachungsgesetzes, die im März in Kraft getreten ist. Aber im Alltag läuft es darauf hinaus, dass zu Lasten der Persönlichkeitsrechte und der Privatsphäre jeder überwacht wird.

Gefilmt wird sowieso längst. Inzwischen setzt die Polizei auch biometrische Gesichtserkennung bei der Suche nach Verbrechern ein.

Das ist der schwierigste Punkt überhaupt. Sie laufen einen Bahnsteig entlang, eine Kamera filmt Sie und automatisch gleicht eine Datenbank ab, ob Sie zur Fahndung ausgeschrieben sind. In Berlin wird das tatsächlich gerade getestet. Das ist so fehleranfällig! Und man muss höllisch aufpassen, dass nicht irgendwann jeder überall ständig erfasst wird. Das darf auf keinen Fall passieren! Denken Sie an die Debatte über die Polizei-Datei "Gewalttäter Sport". Da werden Menschen als mutmaßliche Gewalttäter gespeichert, obwohl sie nie etwas verbrochen haben. Wenn solche Dateien verlinkt und die gespeicherten Gesichter automatisch erfasst werden, dann ist das eine brandgefährliche Kiste.

Klingt jetzt aber nach Science-Fiction.

Das bahnt sich an! Noch sind wir nicht so weit, aber die ersten Tests laufen schon. Wenn das Schule macht - Videokameras gibt es bis dahin ja überall. Das wird nicht nur Konsequenzen haben für Übeltäter, sondern für Menschen wie Sie und mich.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2017
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