Süddeutsche Zeitung

Das Buch "Rein ins Grüne - raus in die Stadt":Anleitung zum Nachmachen

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Renate Künast hat sich in urbanen Gärten umgeschaut

Von Sabine Buchwald

Mangold zum Beispiel. Eine Pflanze, die in den vergangenen Jahren wieder vermehrt und variantenreich in den Fächern der Supermärkte oder auf Märkten angeboten wird. Sie kann so betörend farbintensiv sein, mit dunkelgrün changierendem Blatt, durchzogen von kräftigen Adern am leuchtend roten oder gelben Stiel, dass man ihr eine Karriere in der Vase voraussagen möchte. Mangold ist ein Spaß fürs Auge und für die Küche. Gleich drei Rezepte mit diesem nährstoffreichen Gemüse hat Renate Künast in ihrem soeben erschienenen Buch über den Trend zum städtischen Garteln zusammengetragen: in Kombination mit Kürbis, als Beilage mit Blaukraut und zum Nudelauflauf verarbeitet. Der Grünen-Politikerin scheint Mangold zu schmecken, den Vorschlag mit Penne und Taleggio hat sie offenbar am eigenen Herd ausprobiert. Auch durch solche Einblicke ins Private kommt man der Bundestagsabgeordneten nahe. Sie erzählt von den Gärten ihrer Großeltern in Recklinghausen, wo sie aufgewachsen ist, und von der Liebe ihres Vaters zu selbst gezogenen Blumen.

Die heute 63-Jährige, die seit vielen Jahren in Berlin lebt, ist geprägt von ihrer Kindheit. Kein Wunder also, dass sie sich für Gärten und Initiativen, die städtisches Grau beleben, besonders interessiert. Das Buch "Rein ins Grüne - raus in die Stadt", das Künast mit Co-Autorin Victoria Wegner herausgebracht hat, kann als Reiseführer durch die wichtigsten urbanen Gärten Deutschlands, mit einem Abstecher nach Wien in Österreich und Basel in der Schweiz, verstanden werden. Es stellt 22 Gartenprojekte und Kooperativen in Großstädten ausführlich vor. Kürzer gefasst wird zudem auf zahlreiche Beispiele anderer Initiativen verwiesen.

Entstanden ist ein im echten Sinne vielseitiges Bilderbuch, das allein beim Durchblättern große Lust auf den Sommer macht. Dazu bietet es neben ausführlichen Berichten zu verschiedenen Gartenprojekten jede Menge kleine Häppchen. Dazu gehören einfache Rezepte zum Nachkochen und Tipps wie etwa zur Anzucht von Amaranth. Interessant auch der Blick auf die Terrassengärten in Singapur oder gelungene vertikale Begrünung in New York.

Fast 360 Fotos von grünen Stadtoasen, von dort arbeitenden und genießenden Menschen oder einfach von Pflanzen und reifen Früchten zeigen, was möglich ist; und andernorts zwischen Beton und Asphalt möglich wäre. Künast und Wegner machen eine launige Bestandsaufnahme, die anregt, den eigenen Garten oder Balkonkasten zu bestellen und vor allem sich als Laiengärtner zusammenzuschließen.

Renate Künast ist gelernte Juristin und Sozialarbeiterin. Sie war von 2000 bis 2001 Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, von 2001 bis 2005 Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und von 2005 bis 2013 Vorsitzende der Bundestagsfraktion ihrer Partei. Als Mitglied des Bundestags ist sie an die Hauptstadt als Lebensort gebunden, und so verwundert es nicht, dass der Gemeinschaftsgarten "Himmelbeet" mit Café und Veranstaltungsbühne in Berlin-Wedding als erstes vorgestellt wird. Ein blühendes Idyll, das schon mehrere Preise wie etwa 2017 den European Award for Ecological Gardening bekommen hat. Womöglich wird es im Herbst einem Bildungszentrum für Kinder weichen müssen. Dies ist eine nicht untypische Geschichte für Projekte dieser Art, die mit einem Zwischennutzungsvertrag gestartet sind und ihren Charme aus der Eigenleistung engagierter Menschen und viel Improvisation beziehen. Nichtsdestotrotz animieren sie zum Nachahmen. Auch das Projekt "Inselgrün" in Stuttgart hat Subkulturcharakter. Die angebauten Kräuter dürfen zum Selbstgebrauch mitgenommen werden. Das Inselgrün wirkt wie ein Stück Berlin in Süddeutschland. Dieser Ort der Begegnung ist aufgrund von Bauplänen gefährdet, was im Buch ausführlich beschrieben wird.

Beispiele aus München führen auf das Dach eines Parkhauses. Der Dachkulturgarten (siehe Wo Minze aus Schatztruhen sprießt) sei eine grüne Oase, die man mitten in der Innenstadt unweit des Stachus nicht erwarte, so Künast und Wegner. Ein Hinweis auf den Stadtacker südlich des Olympiaparks informiert, dass das Gelände von April bis Oktober geöffnet ist und es immer freitags von 16 bis 17 Uhr eine Garten-Infostunde gebe. Für das Gemeinschaftsgartenprojekt "O'pflanzt is" drücken die Autorinnen die Daumen und verweisen für weitere Infos bezüglich der Zukunft auf die Webseite www.o-pflanzt-is.de.

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SZ vom 08.04.2019
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