Süddeutsche Zeitung

Zusammenhalten:Vorwärtsverteidigung

Lesezeit: 3 min

Vor drei Jahren erhielt der Karlsfelder Karl Walter die Diagnose Parkinson. Statt mit seinem Schicksal zu hadern, gründete er eine Selbsthilfegruppe. Sie ermutigt die Betroffenen nicht nur, sondern kämpft auch für ihre Interessen

Von Marie Groppenbächer, Karlsfeld

Beworben hatte Karl Walter sein neues Projekt mit Hilfe der Zeitung und mit Flugblättern. Mit einem so großen Zulauf hätte er jedoch nicht gerechnet, als sich die Selbsthilfegruppe für Parkinsonerkrankte im Landkreis und ihre Angehörigen im Juli dieses Jahres zum ersten Mal traf. Etwa 50 Leute hatten sich an diesem Donnerstag im Bürgertreff in Karlsfeld zusammengefunden. Unter ihnen war auch der Bürgermeister von Karlsfeld, Stefan Kolbe (CSU). Von Anfang an unterstützte er Karl Walter bei seinem Vorhaben.

Walter hatte drei Jahre zuvor selbst die schreckliche Diagnose erhalten: Parkinson. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, wurde er Mitglied der deutschen Parkinsonvereinigung. Denn eines war ihm aus seinen beruflichen Erfahrungen heraus sofort klar: "Da, wo es zur Gründung von Selbsthilfegruppen kommt, kann die Therapie meist deutlich besser wirken." Seit bald 19 Jahren kümmert sich der ehemalige Offizier der Luftwaffe um das Bayerische Haus in Odessa in der Ukraine, ein Projekt des Sozialministeriums. Dort unterstützt er Aufklärungsmaßnahmen im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids. Die Ukraine hat nach wie vor europaweit die höchste HIV-Infektionsrate.

Nachdem Karl Walter mit seinem Neurologen über eine Selbsthilfegruppe gesprochen und dieser ihn in diesen Plänen bestärkt hatte, zögerte Walter nicht lange. Wie unabdingbar das Zusammenkommen tatsächlich war, wurde ihm schon beim ersten Treffen klar: Als er die Betroffenen fragte, wer von ihnen einen richtigen Therapieplan habe, antworteten gerade mal zwei mit ja. Auf die Frage, ob sie diesen denn auch umsetzten, erfolgte dann ein deutliches Nein. Denn das Problem sei, so der Karlsfelder, dass viele Therapien nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Den Betroffenen selbst fehle häufig die Kraft für den bürokratischen Aufwand. "Hier kommen wir und vor allem auch der große Bruder, die deutsche Parkinsonvereinigung, ins Spiel. Die Expertise und der institutionelle Einfluss konnte nun schon den einen oder anderen Kassenfall klären, notfalls auch gerichtlich", sagt Karl Walter zufrieden.

Neben der Ermutigung von Betroffenen und ihren Angehörigen, offen mit der Erkrankung umzugehen und sich nicht in die eigenen vier Wände zurückzuziehen, geht es bei den Treffen auch darum, ganzheitliche Therapieformen vorzustellen. Schon beim ersten Treffen im Sommer trugen die Experten, der Neurologe Thomas Gilleßen, die Physiotherapeutin Linn Nordenström und die Ergotherapeutin Cornelia Deichsel, ihre Kenntnisse und Erfahrungen mit Parkinsonerkrankten vor. Im Vordergrund steht immer: Welche Ansätze gibt es, um die Symptome der Krankheit zu lindern? Und wie finde ich Zugang dazu? "Wir wollen sicherstellen, dass alle Betroffenen die Therapien bekommen, die bei uns möglich sind", betont Karl Walter. Eine wichtige Rolle spiele dabei auch die Informationsvernetzung, so der Karlsfelder. Beispielsweise gebe es neuerdings beim ASV in Dachau eine Physiotherapeutin, die die Berechtigung habe, mit Parkinsonkranken eine Therapie zu machen. "Solche Informationen müssen aber auch erst einmal bei den Betroffenen ankommen."

Im kommenden Jahr stehen weitere wichtige Themen auf dem Programm. Im Januar spricht eine Logopädin mit den Mitgliedern über die Frage: "Was für Programme gibt es, um mein Stimmvolumen nicht zu verlieren?" Denn auch das Sprachvermögen ist im Verlauf der Krankheit angegriffen. Viele der vermittelten Aspekte können und sollten die Betroffenen auch in ihren Alltag einbauen. "Aus der Gruppentherapie soll ein Heimbewegungsprogramm entstehen", sagt Karl Walter. Aus diesem Grund beginnt jedes Treffen mit Marschmusik, gemeinsamen Übungen und lautem Singen. "Bewegen, Bewegen, Bewegen" - das sollte das Credo eines jeden Parkinsonerkrankten sein, weiß der selbst Betroffene.

Viele sind Karl Walter dankbar. Doch auch er ist froh über seinen Schritt, den Verein gegründet zu haben. "Ich gehe selbstsicherer mit der Krankheit um. Es ist eine Selbstverständlichkeit geworden, darüber zu sprechen, weil ich mich so viel und intensiv damit beschäftige. Nicht durch Zurückziehen, sondern durch Akzeptanz kann man dagegen vorgehen. Ich konzentriere mich nicht auf das, was nicht mehr geht, sondern auf die Dinge, die ich immer noch machen kann", betont er.

Das Treffen am 13. Dezember gestaltete sich etwas anders als die anderen. An diesem Donnerstag feierten die Mitglieder der Selbsthilfegruppe ihre Weihnachtsfeier bei Kaffee und Kuchen, Musik und Puppentheater. Die Treffen finden ansonsten immer am letzten Donnerstag im Monat im Bürgertreff Karlsfeld, in der Rathausstraße 65 von 15 bis 18 Uhr statt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4257155
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.