Süddeutsche Zeitung

Volkshochschule Dachau:Die Erwachsenenbildung hat wieder ein Zuhause

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Für die Volkshochschule Dachau endet eine zehnjährige Odyssee. Nach langwierigen Standortdiskussionen ist das Gebäude der alten Thoma-Schule nun der perfekte Ort für die Kurse.

Von Viktoria Hausmann

Noch ist die ehemalige Thoma-Schule auf einer Seite von Gerüsten umgeben. Im Dachgeschoss, dem neuen Sitz der Verwaltung, sieht man Männer mit Helmen und Werkzeuggürteln an den Fenstern vorbeilaufen. Sie tragen weitere Gerüstteile. Bauen in Windeseile ein Geländer an die Planken und stocken dann noch eine weitere Ebene auf. Obwohl es Freitagnachmittag ist, scheint keiner an den Feierabend zu denken. Anita Engelbrecht, die stellvertretende Leiterin der Volkshochschule Dachau (VHS) öffnet ein Dachfenster im Sekretariat: "Es ist sehr heiß heute, passen Sie auf dass Sie nicht runterfallen!", ruft sie einem der Männer zu.

Engelbrecht holt einen kurzen, gezackten Schlüssel hervor: der Schlüssel für die neue smarte Eingangstür. Oder besser gesagt, die neue alte und jetzt eben smartere Tür. Das altehrwürdige Holzportal am Fuß des Gebäudes soll in wenigen Tagen mit entsprechender Programmierung die Öffnungszeiten des Hauses kennen und sich dann automatisch öffnen und schließen, wann immer jemand hinein will. Aktuell muss man dafür noch den Türöffner drücken. Der Zugang zum alten Schulgebäude ist jetzt barrierefrei mit Rollstuhlrampe und Aufzug. Gerade den ins Gebäude einzubauen, war eines der schwersten Unterfangen, erklärt Franz Reiter von der Stadt Dachau: "Wir mussten im Keller ein riesiges Heizungsrohr abbauen, das durch die Wand lief, sonst hätte der Lift nicht runterfahren können." An dem gigantischen Rohr hing nicht nur die Hausmeisterwohnung, sondern auch die Versorgung des Nebengebäudes. Es war einer der Knackpunkte, an dem das Mammutprojekt fast gescheitert wäre. So wie auch an den 80 Parkplätzen, die in der Planung insgesamt dreimal um das Gebäude wanderten, erzählt die Architektin Stefanie Küchenmeister. "Die Parkplätze wurden ewig verschoben. Erst sollten sie auf die eine Fläche. Dann waren sie vorne. Jetzt sind sie hinter der Schule." Küchenmeister ist heute mit dieser Lösung zufrieden. Eine Lösung mit weniger Parkplätzen wäre für sie aber auch in Ordnung gewesen. Küchenmeisters ganzer Stolz ist die neue Aula in der Mitte des Erdgeschosses. Sie besteht aus zwei alten Klassenzimmern und ist im Moment noch provisorisch bestuhlt. Hier soll ein kleines Café und ein Info Point entstehen, an dem man sich für Kurse anmelden kann.

Es ist eine zehnjährige Odyssee, die in diesen Tagen für die Volkshochschule Dachau zu Ende geht. Zehn Jahre lang suchte der Leiter Matthias Buschhaus nach einem geeigneten Zuhause für die Erwachsenenbildung. Immer wieder kamen dafür andere Gebäude ins Gespräch. Das alte Postgebäude, die Zieglervilla und schließlich das Haus für Erwachsenenbildung nebenan. Sogar der Hörhammer kam einmal ins Spiel. Oft scheiterte es an der Größe, an der katastrophalen Gebäudeelektrik, am Brandschutz und an fehlenden Stellplätzen in der Kombination mit fehlender Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

Als die Ludwig-Thoma-Mittelschule wegen zu geringer Schülerzahlen 2012 frei wurde, war der perfekte Ort gefunden. Erste Konzepte wurden entworfen. 2013 folgte der Beschluss, dass die VHS in die Thoma-Schule einziehen könne. Kurz darauf musste aber erst mal die Mittelschule Süd für die Dauer der Sanierung ihres Stammgebäudes einziehen. Alles verschob sich bis ins Jahr 2016. Buschhaus hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, da kamen die vielen Flüchtlinge und mit ihnen die Nachfrage nach Deutsch- und Alphabetisierungskursen und beruflicher Umschulung für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan. Binnen kurzer Zeit fanden 22 Integrationskurse in der Thoma-Schule statt. Die Sanierungsplanungen liefen wieder an. Der Aufsichtsrat um Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) tagte sogar unter dem Dach der Schule, um ein genaues Bild zu bekommen. Ende 2019 konnte der Umbau beginnen. Der Brandschutz und die Fluchtwege mussten nachgebessert werden. Dafür musste erst mal die gesamte Elektrik, die früher als großer Strang über den alten Holzdachstuhl lief, entfernt werden. Holzbalken und Stahlträger wurden feuerhemmend verkleidet, die Decken statisch verstärkt. Außerdem wurde im Rahmen eines Klimaschutzprojekts des Bundesumweltministeriums eine neue, energiesparende, tageslichtgesteuerte Beleuchtung eingebaut.

Der Charme des alten Gebäudes wurde erhalten, zum Beispiel die alten Böden und Doppelfenster. Auch die moderne Schulküche, in der die VHS Kochkurse gibt und Geflüchtete für den Gastronomieberuf fit macht, ist die der früheren Mittelschule. Dass die Umbaukosten von 2,5 Millionen Euro nicht ausuferten, ist auch Volkshochschulleiter Matthias Buschhaus zu verdanken. Der Diplom-Theologe war von Anfang an darauf bedacht, alles so hochwertig wie möglich zu einem guten Preis zu bekommen. So wurden alle alten VHS-Schulmöbel mitgenommen, gebrauchte Einrichtung der Mittelschule abgekauft. Ein paar neue Möbel sind auch Spenden von Dachauer Unternehmen. Dass der Pädagoge seit langem bewusst auf Einzeltische setzt, ist auch in der Pandemie hilfreich: "Diese Tische haben wir schon seit zehn Jahren, weil man die viel besser gruppengerecht anordnen kann," erklärt Buschhaus. Luftfilter wurden nicht eingebaut, aber jedes Zimmer verfügt über genügend Fenster und kann daher gut durchlüftet werden.

Dass VHS nun über ein Smart Building verfügt, macht außerdem hybrides Lernen möglich, also größere Kurse durch höhere Teilnehmerzahlen übers Internet. In ein paar Wochen soll in jedem Klassenraum ein Smartboard hängen und daneben ein zweiter Bildschirm, auf dem Kursteilnehmer per Zoom zugeschaltet sind. So ist jederzeit Distanz- und Präsenzunterricht möglich. Auch gleichzeitig.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2021
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