Süddeutsche Zeitung

Siedlerfest in Karlsfeld:Karussell mit Seeblick

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Maßkrüge auswaschen, Lichterketten montieren, Fahnenmasten aufstellen: Auf dem Festplatz am Karlsfelder See wird fleißig gewerkelt, denn am Freitag startet das Siedlerfest. Ein Rundgang.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Noch sind die Rollläden ihrer Schießbude heruntergefahren, Schaustellerin Ursula Kaiser aus Langenpettenbach putzt die roten und weißen Kugellichter mit der Zahnbürste, immer wieder tränkt sie den Lappen in den Putzeimer, damit alles blitzeblank ist, wenn das Karlsfelder Siedlerfest am Freitag beginnt. Die 56-Jährige ist nicht die Einzige, die an diesem Dienstag schon früh auf den Beinen ist, auf dem gesamten Festplatz herrscht geschäftiges Treiben. Ein Rundgang.

Kaiser trägt Jeanskleid, Flip-Flops und hat ihre pinkfarbene Brille in die Haare gesteckt. Die vergangenen zwei Jahre Pandemiepause "waren schrecklich" erzählt sie, seit über 40 Jahren arbeitet sie auf Volksfesten und betreibt mit ihrem Mann neben dem Schießstand auch ein Kinderfahrgeschäft: "Wir mussten an unsere Ersparnisse ran, die wir für unseren Altersruhestand zurückgelegt haben", dieses Geld möchte sie jetzt wieder reinholen. Unsicher bleibe die Lage für Schausteller wie sie aber weiterhin, die Inzidenzzahlen steigen schließlich schon wieder. Doch mit der bisherigen Volksfestsaison ist Kaiser zufrieden: "Es hat gut angefangen. Man merkt: Die Leute wollen wieder raus."

Nach zwei Jahren Pandemiepause sitzt noch nicht jeder Handgriff wieder

Das merkt auch Manfred Klein und erzählt: "Man darf es gar nicht sagen, aber wir sind alle geil auf das Siedlerfest und extrem motiviert." Klein ist Vorsitzender der Siedlergemeinschaft Karlsfeld Nord, die das Fest jedes Jahr organisiert. Am "großen Aufbautag" am Dienstagvormittag steht Klein auf einer Hebebühne und windet die Lichterkette um den stählernen Eingangsbogen. Später muss er feststellen, dass er den Lichtkranz falsch angebracht hat, er soll auch die aufgestellten Bauzäune beleuchten - nach zwei Jahren Pandemiepause sitzt eben nicht mehr jeder Handgriff.

In der Woche vor dem Volksfestbeginn steht Manfred Klein meist schon um 6 Uhr morgens auf dem Festplatz, früher hat er sich dafür eine Woche Urlaub genommen: "Jetzt bin ich froh, dass ich Rentner bin", sagt er und lacht. Schließlich gebe es einiges zu tun: An diesem Tag müssen die Mitglieder der Siedlergemeinschaft noch Lichterketten in die Bäume hängen, Fahnenmasten aufstellen, Vereinstafeln im Festzelt und "Herzlich willkommen"-Banner anbringen.

Bislang sieht der Festplatz noch ein wenig verlassen aus, Staffeleien stehen herum, die Rollläden an vielen Ständen sind heruntergelassen, daneben parken Autos und Wohnmobile der Schaustellerinnen und Schausteller, ihre Fahrgeschäfte stehen aber noch still. Bei Festwirt Peter Brandl hingegen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Trotzdem wirkt er gelassen, während er in Jeans und Trachtenweste vor dem Zelt posiert. Seit zweieinhalb Wochen baut er mit seinem elfköpfigen Team das Festzelt für rund 2500 Besucherinnen und Besucher auf. Klar, vergesse er nach zwei Jahren Pandemiepause mal dies oder jenes, aber das falle ihm schon wieder ein: Wie jüngst die Sägespäne für den Fall, dass eine Maß für 9,40 Euro verschüttet wird und es auf dem Boden glitschig wird.

Vor und im Zelt sind die Biergarnituren schon aufgestellt, auf den Tischen liegen Deko-Brezen, weiße Hirschgeweihe, grüne Plastikgirlanden und Weideherzen, mit dem Tacker schießen Mitarbeiterinnen Herzen mit "I mog di" an die Holzwände der Festboxen. Demnächst würden die Spülmaschinen angeliefert, so Brandl, um die Maßkrüge auszuwaschen, außerdem müssten die Blumenkästen am Zelt noch bepflanzt und die Schänken angeschlossen werden. Von halb acht in der Früh bis halb 12 Uhr nachts ist Brandl dieser Tage auf den Beinen, während des Siedlerfests wird es wohl noch eine Stunde mehr sein. "Aber sieben Stunden Schlaf kriegen wir immer noch zusammen", lacht er.

Siedlerfest bedeutet für Schausteller auch Urlaubsfeeling

Folgt man der Schlagermusik, landet man bei dem Transporter von Christian Schöttl. Mit einem Lächeln im Gesicht und einem Wasserschlauch in der Hand spritzt er seinen Stand für "Heiße Maiskolben" ab. Für den Schausteller aus Aubing bedeutet das Siedlerfest immer ein "bisschen Urlaubsfeeling", denn nirgendwo im Münchner Umland gebe es ein Volksfest, das so nah am Wasser liegt. Auch er bringe alles "auf Hochglanz" und sei nach zwei Jahren Volksfestpause richtig "on fire". Finanziell habe er die Coronakrise gut überstanden, denn einerseits habe er auf den Rat der Oma gehört: "Leg in guten Zeiten Geld auf die Seite", anderseits sei sein Imbissstand für Steaksemmeln und Currywurst am Harras gut angekommen.

Auch Schausteller Tony Sommerer ein paar Stände weiter schätzt die Lage am See: "Weil man in den Pausen mal reinspringen kann." Mit seinem Kollegen hievt er die Säule mit rund 1200 LED-Lichtern in die Mitte seines Standes zum Ringewerfen. Denn: "Licht lockt Leute", ist der Schausteller aus Bayreuth überzeugt. Im Winter habe er einen Wagen mit heißen Mandeln neben einem Supermarkt betrieben, aber das habe sich nicht wirklich rentiert: "Wir freuen uns darauf, dass wir jetzt wieder unser normales Leben leben können" - und das bedeutet für ihn im Wohnwagen schlafen und von April bis Oktober bundesweit Volksfeste ansteuern.

Für Manfred Klein von der Siedlergemeinschaft gilt es bis zum Volksfeststart noch die Wehwehchen des ein oder anderen Schaustellers zu beseitigen, ein paar wünschen sich etwa einen anderen Standplatz. In diesem Jahr sei das kein Problem, sagt Klein: "Heuer haben wir mehr Platz als sonst." Einige Buden- oder Fahrgeschäftbetreiber haben krankheitsbedingt abgesagt, andere haben die zwei Jahre Pandemie schlicht nicht überlebt. Die Übriggebliebenen hoffen umso mehr auf ein gutes Geschäft.

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