Süddeutsche Zeitung

Umstrittenes Straßenprojekt in Altomünster:Ein weiterer Schritt auf dem "Holzweg"

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Altomünsters Marktgemeinderat beschließt, das umstrittene Projekt fortzuführen - gegen die Stimmen einiger prominenter CSU-Kommunalpolitiker. Wie das Vorhaben finanziert werden soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar

Von Horst Kramer, Altomünster

"Das wird eine Überflutungskatastrophe mit Ansage!" So kommentiert Roderich Zauscher, der Chef des Bunds Naturschutz Dachau (BN) und Grünen-Kreisrat, eine Entscheidung des Altomünsterer Gemeinderats. Es geht um den berühmt-berüchtigten "Holzweg", die seit zirka 13 Jahren diskutierte Verbindungsstraße zwischen dem Gewerbegebiet der Marktgemeinde und der Staatsstraße 2047, die von Dachau nach Aichach führt. Zauscher bekämpfte das Projekt von Anfang an, im vergangenen Dezember lehnte der Verwaltungsgerichtshof eine Normenkontrollklage des BN ab. Das Altomünsterer Gremium entschied nun mehrheitlich, das Vorhaben fortzuführen. Gegen den Widerstand einiger prominenter CSU-Kommunalpolitiker, darunter der Kreisrat und Landwirtschaftsexperte Josef Riedlberger, die Biobäuerin Marianne Kerle sowie die frühere Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Martina Englmann. Aus der FWG-Fraktion, zu der auch Bürgermeister Michael Reiter zählt, schloss sich Susanne Luz der Kritik an der geplanten Straße an.

Zauscher begründet seine Warnung mit der Tektur des Geländes, durch das die Straße führen soll - ein Hügel, dessen Kuppe bei rund 510 Höhenmeter liegt. Im Norden - in Richtung des Gewerbegebiets - fällt das Gelände bis auf 490 Meter ab. Die Staatsstraße im Süden führt auf einer Höhenlinie von rund 488 Metern an dem Terrain vorbei. Genau dazwischen liegt der kleine Weiler Ruppertskirchen. "Eine asphaltierte Straße in diesem Gelände wird unter den Klimawandelbedingungen zu einer reißenden Sturzflut", fährt Zauscher fort und empört sich: "Ganz Deutschland redet von Klimaschutz, und in Altomünster wird ohne Not weiter versiegelt."

Ganz ähnlich hatte Englmann in der Gemeinderatssitzung argumentiert: "Wir müssen Beschlüsse, die vor zehn oder zwanzig Jahren gefasst worden sind, mit dem heutigen Wissensstand reflektieren." Tatsächlich spielte der Klimawandel in den damaligen Ratsdiskussion keinerlei Rolle. Englmann ist Managerin in einem großen internationalen Rückversicherungskonzern. Ein Unternehmen, das womöglich den besten Einblick in die vom Klimawandel bewirkten Schäden hat. Sie wie auch Riedlberger betonte sie die Notwendigkeit, viel Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Zumal sich die Attraktivität der S-Bahnlinie S2 A deutlich steigern werde, wenn die zweite Stammstrecke fertig gestellt sei, so Riedlberger, unter anderem durch einen schnelleren Takt und ohne Umsteigen in Dachau.

Der CSU-Kreisrat wandte sich auch gegen die Art und Weise, wie der Beschluss zustande gekommen ist: Er wurde in einem nicht-öffentlichen Workshop vorbereitet. Dort wurde wohl ausführlich und intensiv diskutiert - dieser Eindruck entstand zumindest in Ratssitzung. Welche Argumente ausgetauscht wurden, blieb der Öffentlichkeit indes verborgen. Riedlberger monierte: "Das Wesen eines Gemeinderats ist es aber, dass schwierige Fragen im öffentlichen Raum ausdiskutiert werden. Auch wenn es keinen Königsweg gibt und Abwägungen nötig sind. Davon lebt die Demokratie!" Markus Hagl (FWG) riet dem Bürgermeister daher, die Pro- und Kontra-Argumente auf einem Flyer zusammenzufassen und den Einwohnern Altomünsters zur Verfügung zu stellen. Reiter hatte schon im März genau dies zugesagt, dann aber einen Rückzieher gemacht. "Ich wollte so eine Aufstellung nicht einfach aus meiner Perspektive machen, sondern andere miteinbeziehen", begründete er damals. Daraus entstand die Idee des Workshops. Deren Ergebnisse sind wohl dokumentiert, wie in der Sitzungsvorlage zu lesen ist. Die Öffentlichkeit kann sie aber nicht einsehen. Der Rathauschef rechtfertigte sich gegenüber der SZ Dachau: "Bei dem Workshop ging es auch um nicht-öffentliche Belange." Er führte Grundstücksfragen und "Absprachen mit dem Straßenbauamt" an. Immerhin kündigte er nun eine Informationsveranstaltung für den Herbst an, sofern die Corona-Bedingungen es erlaubten.

Zauscher vermutet, dass die Grundstücksverhandlungen nicht einfach werden für die Gemeinde. Das Wort "Enteignung" wollte Reiter weder in der Sitzung noch im Gespräch mit der SZ Dachau fallen lassen. "Ich hatte bisher noch nicht einmal ein Verhandlungsmandat. Es gibt überhaupt keinen Grund, über solche Maßnahmen zu reden", betonte der Bürgermeister.

Ebenfalls nicht geredet wurde beim jüngsten Ratstreffen über die Finanzierung des Straßenbauprojekts. Da es sich um eine reine innerörtliche Straße handelt, liegt die Last bei der Kommune. Im Jahr 2014 bewegten sich die Prognosen auf 2,7 Millionen Euro zu. Im Frühjahr schätzte das Obergriesbacher Ingenieurbüro Mayr die Kosten auf 3,3 Millionen Euro ein; ohne die Nebenkosten, die unter anderem für den Bau einer Abbiegespur auf der Staatsstraße fällig werden, und die den Bau vermutlich auf vier Millionen Euro verteuern werden. Kerle meinte daher in der Sitzung: "Ich befürchte, dass sich die Gemeinde viele andere Maßnahmen nicht mehr leisten kann, wenn die Straße finanziert werden muss. Der Freistaat kann sich an den Kosten beteiligen, muss das aber nicht. Entscheidend wird sein, wie der Bau begründet wird. Englmann meldete Zweifel an: "Wir haben keinen Stau im Ort." Ihr Rat: "Warten wir doch erst einmal ab, wie sich der Verkehr entwickelt."

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Quelle:
SZ vom 30.07.2021
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