Süddeutsche Zeitung

Teure Wohnungen:Fast schon wie am Times Square in New York

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Die Mietpreise in der Region sind für viele zu teuer. Die SPD Oberbayern fordert auf einer Konferenz in Dachau mehr sozialen Wohnungsbau

Von Gregor Schiegl, Dachau

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist "eines der drängendsten Anliegen für die Menschen in der Region". Das sagte Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann zu Beginn der wohnungspolitischen Regionalkonferenz der SPD. Wie angespannt die Lage mittlerweile ist, illustrierte er mit einer Anzeige aus einem Online-Immobilienportal. Angeboten wurde eine Wohnung mit 81 Quadratmetern für 1150 Euro kalt. "Und diese Wohnung ist in Dachau und nicht am Times Square in New York", sagte er. Viele junge Leute zögen aus der Großen Kreisstadt fort, weil sie sich nicht mehr vorstellen könnten, wie sie hier noch wohnen sollten, beklagte Hartmann. "Wohnen darf kein Privileg der Besserverdiener sein." Das Thema trifft mitten ins Herz der Sozialdemokratie.

"Wir müssen die alte Ortsschild-Mentalität ablegen"

Entsprechend groß war der Andrang am Samstag im Dachauer Ludwig-Thoma-Haus. Neben Landtags-, und Bundestagsabgeordneten waren zahlreiche SPD-Kommunalpolitiker in die Altstadt gekommen, nicht nur aus dem Bezirk Oberbayern, auch aus Augsburg und Landshut. Selbst CSU-Landrat Stefan Löwl scheute sich nicht, in der ersten Reihe der SPD-Veranstaltung Platz zu nehmen, "weil es so ein wichtiges Thema ist", wie er sagte. Die Nöte haben alle Kommunalpolitiker. Unter dem Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich das Verhältnis von Stadt und Umland grundlegend geändert. Im Verkehr, in der Bildung und auch in der Wohnungspolitik stehen die Signale auf Zusammenarbeit. "Wir müssen die alte Ortsschild-Mentalität ablegen", sagte Reiter.

Das Versprechen "Wir schaffen Wohnraum" konnte die SPD-Veranstaltung freilich nicht einlösen. Aber sie zeigte auf, welche Möglichkeiten es auf staatlicher wie kommunaler Ebene gibt, zumindest einer weiteren Verschärfung der Lage entgegenzuwirken. Zentrale Botschaft der SPD: Man darf den Wohnungsmarkt nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen, sondern muss konsequent in den sozialen Wohnungsbau investieren.

Pro Quadratmeter 5,67 Euro

Die Stadt Dachau tut das seit Jahren, die städtische Wohnbaugesellschaft hat mehr als 1300 Sozialwohnungen errichtet. Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter beträgt dort 5,67 Euro. Aber diese Anstrengungen reichen noch nicht, gestand Hartmann ein. In Dachau stehen etwa 400 Menschen auf der Warteliste für Sozialwohnungen, weshalb die Stadt auch noch mehr als bisher in den sozialen Wohnungsbau investieren will. Allerdings ist Dachau mit allen Problemen konfrontiert, die auch die anderen Kommunen in der Boomregion haben. Das große Problem sind fehlende Grundstücke. Der OB forderte deshalb ein Vorkaufsrecht für Kommunen. Andere regten die Erhebung einer Grundsteuer C an, die es Anfang der Sechzigerjahre schon mal gab. Mit ihr könnten baulandfähige Grundstücke besteuert werden, die nicht bebaut sind. Es wäre ein Anreiz, Flächen abzugeben statt auf weiter steigende Grundstückspreise zu spekulieren.

Reiter ist ein Fan von Genossenschaftsmodellen

Aber selbst wenn die Kommunen Flächen haben, ist es schwer, günstigen Wohnraum zu schaffen, wie Hartmann erläuterte: Die Baukonjunktur boomt, die Baufirmen arbeiteten nur "zu horrenden Kosten". Hinzu kämen immer strengere Vorschriften und Normen bei Schallschutz, Brandschutz und Wärmedämmung, die zusätzlich als Kostentreiber wirkten. Oberbürgermeister Reiter plädierte dafür, die Bauverfahren so weit wie möglich zu beschleunigen. "Wir brauchen mehr Wohnungen, wir brauchen sie billiger und wir brauchen sie schneller." Das sei nicht zu machen mit höchsten Ansprüchen an Energieeffizienz und gestalterische Qualität, es müsse dichter gebaut werden und auch höher. Allein könne die öffentliche Hand das Problem allerdings nicht lösen, sagte er, das gehe nur Hand in Hand mit der Privatwirtschaft. Unter dem Applaus der Genossen bezeichnete sich Reiter als "Fan von Genossenschaftsmodellen". In der Vergangenheit seien die oft nicht zustande gekommen, weil keine günstigen Grundstücke für die Genossenschaften zur Verfügung standen. Inzwischen senkt München den Verkehrswert der Grundstücke künstlich durch Auflagen, zum Beispiel durch eine Vereinbarung, die Mieten auf 60 Jahre verbindlich festzulegen. Mit Erfolg. "Die Investoren haben uns überrannt."

Andreas Lotte, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, kritisierte die bayerische Staatsregierung. Obwohl der Freistaat wachse, sei die Zahl der 250.000 Sozialbauwohnungen im Jahr 1999 auf etwa 130.000 gesunken. "Der Freistaat muss mehr Geld in die Hand nehmen." In einer Resolution fordert die SPD Oberbayern vom Freistaat, in den nächsten fünf Jahren 100.000 bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Zweckentfremdung von Wohnraum müsse erschwert, Mieter besser geschützt werden. Dagmar Levin-Feltz aus Kolbermoor kritisierte das Papier als "wischiwaschi", die Forderungen seien zu unkonkret. Der Ebersberger Kreisrat Ernst Böhm appellierte an seine SPD, sich noch mehr zu engagieren. "Da muss ein Ruck durch die Partei gehen."

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SZ vom 29.02.2016
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