Süddeutsche Zeitung

Talentiade 2019:Wo Europameister zur Schule gehen

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Das Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasium bringt seit Jahren Rudertalente hervor

Von David Holzapfel, Dachau

Bei den ersten neuzeitlichen Olympischen Spielen 1896 konnten die Ruderer nicht antreten. Der Wellengang war schlichtweg zu stark, der Wettkampf wurde abgesagt. Mehr als 120 Jahre später, es ist ein Maiwochenende im Jahr 2019, herrschen für den Junioren-Vierer der Rudergesellschaft München 1972 (RGM 72) weitaus bessere Wettkampfbedingungen. Bei strahlendem Sonnenschein und leichtem Schiebewind holen Leni Rabl aus Dachau und Lisa Weber aus Odelzhausen auf dem Essener Baldeneyesee Gold bei der Junioren-Europameisterschaft - und damit den größten Erfolg, den ihr Klub im Juniorenbereich je erzielen konnte.

Nicht ganz unbeteiligt am sensationellen Abschneiden der beiden Sportlerinnen ist das Ignaz-Taschner-Gymnasium (ITG) in Dachau. Sowohl Rabl als auch Weber besuchen dort die elfte Klasse. Wie viele ihrer Mitschüler fingen sie hier mit dem Rudern an. Dass das ITG eine Ruder-Talentschmiede ist, liegt vor allem an einem: Thomas Hücherig. Vor 18 Jahren kam der Sportlehrer an die Schule, und gründete einen Ruderstützpunkt.

Dass sich der Rudersport in Sachen Popularität weit hinter Massensportarten wie Fußball oder Basketball einordnen muss, ist kein großes Geheimnis. "Rudern ist eine Randsportart", sagt Hücherig. Das hat mehrere Gründe: Die Ausrüstung ist teuer, für ein neues Rennruderboot aus Carbon könne man mitunter schon einmal mehrere 10 000 Euro hinlegen, wie der Sportlehrer betont. Auch ein passender Trainingsort sei nicht immer leicht zu finden. Das Taschner-Gymnasium hatte Glück: Die Regattastrecke in Oberschleißheim, 1972 für die Olympischen Spiele in München angelegt, ist für die Schüler bequem mit dem Bus erreichbar, die Tickets zahlt die Schule. Auch die Ausrüstung stellt das ITG, unterstützt von Sachaufwandsträgern wie dem Landkreis Dachau und Unternehmen aus der Region.

In der fünften Klasse müssen die Schüler des Gymnasiums wählen, ob sie den normalen Nachmittagssport besuchen, oder das Wahlfach Rudern belegen wollen. Ab der siebten Klasse schließlich können sich die Schüler entscheiden, ob sie in den Vereinssport wechseln möchten, die Rudergesellschaft München (RGM) 72 arbeitet eng mit dem Gymnasium zusammen. Wer hingegen nicht leistungsorientiert Rudern möchte, bekommt von der Schule Angebote zu Wanderfahrten oder Gruppenausflügen.

Lennard Kausemann und Dominic Gallert sind leidenschaftliche Ruderer. Auch sie sind erst durch das Angebot des ITG auf den Sport aufmerksam geworden. Mit der Zeit haben die beiden Zehntklässler haben jedoch eine solche Begeisterung für das Rudern entwickeltet, dass sie sich im vergangenen Jahr dazu entschieden, für die B-Junioren der RGM 72 ins Boot zu steigen und ihren Schulsport von nun an auf Wettkampfbasis zu betreiben. Sie wollen eben hoch hinaus. Mittlerweile trainieren die Kausemann und Gallert sechs Mal in der Woche. Die Vorbereitungen auf das Deutsche Meisterschaftsrudern Ende Juni in Brandenburg laufen auf Hochtouren. Trainiert werden sie dabei auch von ehemaligen Schülern des ITG.

"Wir haben eine Art Generationenvertrag", sagt Hücherig. Die Älteren unterstützen die Jüngeren, sie fungieren als Mentoren. "Die Schüler lernen schnell, dass sie beim Rudern alleine nicht weit kommen. Das stärkt das soziale Feingefühl", sagt der Lehrer. Er hat eben auch einen pädagogischen Ansatz, den er weitervermitteln möchte.

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SZ vom 18.06.2019
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