Süddeutsche Zeitung

Einsatz für die Gesellschaft:Begleiterinnen der Frauen

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Sie helfen Frauen in Notsituationen, sich ein eigenes, selbständiges Leben aufzubauen. Und sie finden mit ihnen neue Perspektiven.

Von Petra Schafflik, Dachau

Am Montag wird Astrid Kovacs frühmorgens einen Transporter von der Autovermietung abholen und Richtung Frauenhaus steuern. Dort wird sie gemeinsam mit einer jungen Frau, die sie betreut, ein paar Umzugskisten einladen, dann noch gebraucht gekaufte Möbel an verschiedenen Stationen abholen, alles zu einer kleinen Wohnung fahren und dort einräumen helfen. Die Schlepperei und Fahrerei wird sicherlich nicht das reinste Vergnügen. Dennoch sieht die 54-jährige Kovacs vergnügt aus, wenn sie von ihrem ehrenamtlichen Engagement für das Frauenhaus und seine Bewohnerinnen erzählt.

Schon vor 13 Jahren hat sich die gelernte Verkäuferin entschieden, nach der Kinderpause nicht wieder in den Beruf zurückzukehren, sondern sich bürgerschaftlich zu engagieren. Heute organisiert Kovacs im Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt das fünfköpfige Team der Ehrenamtlichen, zu dem erst vor wenigen Monaten auch die 20-jährige Laura Kaufmann gestoßen ist. Ihr gefällt bei ihrem Einsatz im Frauenhaus die Vielfalt an Tätigkeiten, Aufgaben und Herausforderungen. Die Arbeit mache viel Freude, sagen sie beide.

Sinnvolle Aufgabe gesucht

Die Wege zum Ehrenamt sind so unterschiedlich, wie die Menschen, die sich engagieren. Laura Kaufmann suchte nach dem Schulabschluss neben einem Job zum Geldverdienen noch eine sinnvolle Aufgabe, um die Wartezeit auf ihren Wunsch-Studienplatz zu überbrücken. Auf dem Weg zum Fachabitur hatte sie Praktika in einer Krippe und einer Schule für körperlich behinderte Kinder absolviert und erkannt, "dass mir die Arbeit mit Menschen viel Spaß macht". Auf der Ehrenamtsmesse des Landkreises traf sie auf das Frauenhaus-Team und wusste: "Das passt". Die junge Frau ließ sich für den anspruchsvollen Dienst der telefonischen Frauenhaus-Rufbereitschaft schulen, begleitete erfahrene Ehrenamtliche und ist nun nach wenigen Monaten eine wertvolle Stütze für die Bewohnerinnen des Frauenhauses.

Noch kann die angehende Studentin viel Zeit investieren, unternimmt deshalb mit Frauen und Kindern Ausflüge in den Tierpark oder zum Badeweiher. Auch bei Arztterminen, Behördengängen oder der Wohnungssuche sind die Bewohnerinnen um eine unterstützende Begleitung froh. Denn das ehrenamtliche Frauenhaus-Team betreut und begleitet die Bewohnerinnen umfassend auf ihrem Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Nach dem Umzug der Frauen in eine eigene Wohnung läuft eine Patenschaft an, die weitere Betreuung über Monate oder länger sichert.

Dass die Bewohnerinnen des Frauenhauses auf eine derart umfassende Betreuung setzen können, haben sie Astrid Kovacs zu verdanken. Die Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern kam vor 13 Jahren zum Frauenhaus. Entscheidend war damals das umfangreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebot, das auch für die eigene Persönlichkeitsentwicklung immer wieder Anstöße gibt, sagt Kovacs. Anfangs arbeitete sie beim Frauennotruf mit, noch heute organisiert sie die Rufbereitschaft des Frauenhauses und leistet 12-Stunden-Dienste. "Aber am Telefon läuft Hilfe immer anonym ab, das war mir zu wenig."

Mittwoch ist "Frauenhaus-Tag"

Die Odelzhausenerin ergriff deshalb die Initiative und baute ein Helferinnenteam auf, das nun rund ums Frauenhaus vielfältig aktiv ist. Mittwoch ist für Astrid Kovacs "Frauenhaus-Tag", doch bei den sechs Stunden, die sie fest für ihr Ehrenamt eingeplant hat, bleibt es fast nie. Manche Monate verlaufen ruhig, doch meist wird der Umfang eines Teilzeitjobs überschritten, denn Sorgen und Nöte der Bewohnerinnen halten sich selten an feste Einsatzzeiten. Gerade wenn eine Frau aus der Schutzeinrichtung auszieht, gibt es viel zu tun, bis Möbel und Hausrat über Sachspenden und Gebrauchtmärkte organisiert, alle notwendigen Behördengänge und schließlich der Umzug erledigt ist. "Denn ins Frauenhaus kommen die Frauen ja meist mit ein paar Dokumenten und sonst nichts."

Doch Astrid Kovacs nimmt sich gerne so viel Zeit, "weil ich diese Arbeit gerne mache". Allerdings lassen sich die Helferinnen im ehrenamtlichen Frauenhaus-Team nicht von ihrem freiwilligen Engagement vereinnahmen. "Jede bestimmt, wie viel Zeit sie investiert und welche Aufgaben sie übernimmt." Auch wenige Stunden pro Woche sind hilfreich. Die Arbeit mit Opfern häuslicher Gewalt erfordert viel Einfühlungsvermögen und Empathie aber auch die Fähigkeit, sich von den oft traumatischen Erfahrungen der betreuten Frauen nicht vereinnahmen zu lassen. "Natürlich nimmt man oft ein Schicksal mit nach Hause, aber man muss sich auch wieder abgrenzen können", sagt Kovacs.

Dass sie mit ihrem Ehrenamt wichtige Aufgaben im Dienst der gesamten Gesellschaft übernehmen, sehen Laura Kaufmann und Astrid Kovacs positiv. Überall hauptamtliche Kräfte zu beschäftigen, egal ob für Feuerwehr, Fußball-Jugendarbeit oder Frauenhaus - "das kann sich kein Staat leisten", sind beide überzeugt. Auch eine finanzielle Entschädigung vermissen sie nicht. Vielmehr sind ihnen die persönliche Weiterbildung über Schulungen plus die positiven Rückmeldungen der betreuten Frauen und Kinder Anerkennung genug. "Ich nehme viel mit, auch für mein Studium", ergänzt Kaufmann. Die erfahrene Helferin Astrid Kovacs bestätigt: "Dieses Engagement gibt einem viel."

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Quelle:
SZ vom 01.09.2015
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